Perfektes Timing

Gaza-Krieg Vieles beim Gazakrieg deutet auf einen Fahrplan des Israelis, der exakt auf die US-Präsidentenwahl und den Amtswechsel in Washington abgestimmt war

Im Juni 2008 begann das israelische Militär mit den Vorbereitungen des Angriffs auf Gaza. Das berichtete die Tageszeitung Haaretz am 28. Dezember unter Berufung auf nicht näher genannte Quellen in der israelischen Militärführung. Demnach habe Verteidigungsminister Barak die Anweisung erteilt, umfassende Informationen über Angriffsziele in Gaza zu sammeln. Zum gleichen Zeitpunkt handelte Israel unter Vermittlung Ägyptens einen sechsmonatigen Waffenstillstand mit der Hamas aus. Laut Haaretz habe Barak das zweigleisige Vorgehen damit begründet, dass eine Waffenruhe der Hamas zwar eine Atempause verschaffe, Israel zur Vorbereitung einer Militäroperation jedoch ebenfalls Zeit benötige.

Am 19. Juni 2008 trat der Waffenstillstand in Kraft. Die Vereinbarung beinhaltete auch, die seit Mitte 2007 anhaltende Blockade Gazas durch Israel schrittweise zu lockern und den Grenzübergang Rafah nach Ägypten zu öffnen. In den Folgemonaten hielt die Hamas ihre Verpflichtungen weitgehend ein. Während zuvor noch 150 bis 250 Kassam-Raketen pro Monat abgefeuert wurden, war es im Juli, September und Oktober jeweils nur eine. Ausnahme war der August mit insgesamt acht Raketen, die jedoch weder Personen- noch Sachschäden anrichteten.

Diese Statistik belege, so Professorin Nancy Kanwisher vom MIT in Boston, dass die Hamas einen Waffenstillstand wirksam kontrollieren und einhalten könne. Das dem israelischen Militär nahe stehende Intelligence Terrorism Information Center bemerkte: „Die Hamas hat die Einhaltung des Waffenstillstands genau beachtet.“ Doch entgegen der Vereinbarung lockerten weder Ägypten noch Israel die Blockade. Am 4. November 2008, als die Weltöffentlichkeit gebannt auf die Präsidentschaftswahl in den USA blickte, brach Israel die Waffenruhe: Ein Militärkommando, begleitet von Helikoptern, Drohnen und einem Militärbulldozer, drang 300 Meter tief in den Gaza-Streifen ein und umstellte ein Wohnhaus, das im Laufe des Angriffs explodierte. Auf palästinensischer Seite gab es ein Todesopfer und mehrere Verletzte. Als Reaktion wurden aus Gaza Mörsergranaten abgefeuert. Noch am gleichen Tag folgte ein israelischer Luftangriff, dem sechs Palästinenser zum Opfer fielen. Am 5. November gingen 30 Kassam-Raketen auf unbewohnte Flächen in Israel nieder. „Wenn es die Hamas will, kann sie mit einiger Genauigkeit auf das Zentrum von Sderot zielen“, kommentierte Haaretz.

Offenbar wollte die Hamas eine weitere Eskalation vermeiden. Jedoch entwickelte sich aus dem israelischen Militäreinsatz eine Gewaltspirale, die die Waffenpause in den folgenden Wochen pulverisierte. Unter Hinweis auf den nun wieder hohen Raketenbeschuss startete Israel am 27. Dezember den Angriff auf Gaza. Nach 20 Tagen Operation Gegossenes Blei, die über 1.300 Palästinenser tötete und mehr als 5.000 verletzte, kündigt Israel den Rückzug seiner Militärmaschinerie an.
Das Timing war frappierend: Bruch der Waffenruhe am Tag der US-Präsidentschaftswahl, danach militärische Eskalation bis zum Krieg und schließlich Truppenabzug just zur Amtseinführung des US-Präsidenten. Der letzte israelische Panzer verließ Gaza am 20. Januar, kurz bevor Barack Obama in Washington seinen Amtseid ablegte.

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Geschrieben von

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden