"Diese Personen haben nicht die Krone auf, sie sind keine Bürger erster Klasse", empörte sich der peruanische Präsident Alan García am 4. Juni, einen Tag vor dem "Massaker von Bagua". "400.000 Indianer können 28 Millionen Peruanern nicht vorschreiben, wohin sie gehen dürfen und wohin nicht". Dann gab er grünes Licht für die gewaltsame Auflösung einer Straßenblockade indigener Peruaner im nördlichen Departamento Amazonía. Mindestens 34 Personen kamen dabei ums Leben. Gemäß seiner Pflicht als Präsident müsse er für "Ordnung und Energie" sorgen, die Protestierenden hätten dem Staat als alleinigem Vertreter des Allgemeinwohls "die Pistole an die Stirn" gehalten, rechtfertigte Alan García auf allen TV-Stationen die Opfer der von ihm zu verantwortenden Eskalation.
Die gewaltätige Art der Konfliktbewältigung ist aus Garcías erster Präsidentschaft (1985 – 1990) sehr wohl bekannt. Damals gab es mehrere von der Polizei und der Armee verschuldete Blutbäder wie das Massaker in Accomarca vom August 1985 mit 47 Toten und dass Inferno von Cayara im Mai 1988 mit 30 Toten. Weitere Zahlen peruanischer Regierungsbehörden sprechen Bände: 1.600 Verschwundene ist die Bilanz von Garcías erster Amtszeit.
Raubbau und Vertreibung
Verlernt hat der Präsident bis heute diesen Politikstil keineswegs. Angesichts der Vorgaben aus dem Freihandelsvertrag mit den USA sind schwierige und langwierige Verhandlungen mit den Betroffenen dieses Abkommens offenbar nicht erwünscht. Seit langem sorgt für Proteste bei der indigenen Community, dass die sozialliberale Regierungspartei Revolutionäre Volksallianz Amerikas (APRA), dessen Chef García seit 2004 ist, so starr am umstrittenen Gesetzespaket zur wirtschaftlichen Nutzung der Flora und Fauna festhält. Die Furcht der Gegener des Vorhabens: Raubbau von Öl, Gas und Holz sowie die Vertreibung aus ihren angestammten Gebieten.
Schon seit März 2009 wird unter Führung des Indigenen-Führers Alberto Pizango von der Interethnischen Vereinigung für die Entwicklung des Regenwaldes (AIDESEP) der Ausnahmezustand geübt. die Indios hielten strategische Ölpipelines besetzt und blockierten wichtige Durchfahrtsstraßen, um ihrer Forderung nach Annullierung der Dekrete in Lima Gehör zu verschaffen. Kurz zuvor hatte AIDESEP einen Marsch auf die Hauptstadt angedroht, was für stetig wachsende Nervosität bei der Regierung sorgte.
Andauernde Demonstrationen
Nachdem der Nationalkongress (das Parlament Perus) eine von der oppositionellen Nationalpartei (PNP) des bei den Wahlen 2006 unterlegenen Linkspolitikers Ollanta Humala geforderte Debatte zur Verfassungskonformität der Dekrete immer wieder blockiert hatte, kam es Anfang des Monats zum blutigen Showdown im Dschungel. Helikopter und Polizeieinheiten, kampferprobt im Anti-Terror-Kampf gegen den Ende der neunziger Jahre niedergekämpften maoistischen Guerrilla-Verband Leuchtender Pfad stießen auf Stammesangehörige der Awajún, eine Amazonasethnie, die sich weder von den kolonisierenden Inkas des 13. Jahrhunderts noch von den Konquistadoren Spaniens im 16. und 17. Jahrhundert dominieren ließ. Als sich über den von der Regierung unmittelbar nach den Kämpfen verbotenen Radiosender La Voz de Bagua die Nachricht von so vielen Opfern unter den Protestierenden an der sprichwörtlichen "Curva del Diablo", der "Teufelskurve", verbreitete, eskalierte die Gewalt. Mit Messern und Lanzen töteten die im Gelände beweglicheren Awajún erst eine Handvoll Uniformierter und übernahmen dann deren Sturmgewehre. Doch die Übermacht der Polizei gewann schließlich die Oberhand, die Straße war "befreit".
Um einen sehr hohen Preis. Nach Protesten Tausender Menschen im ganzen Land, bei denen es wieder zu Gewaltausbrüchen kam, entzogen die Behörden am Sonntag dem Radiosender "La Voz" (Die Stimme) die Sendeerlaubnis. Peru erlebt eine innere Zerreißprobe, die noch längst nicht ausgestanden ist.
Kommentare 8
Ureinwohner-Proteste zeigen Wirkung
Zehn Tage nach blutigen Auseinandersetzungen zwischen Indianern und Sicherheitskräften in Peru ist die Regierung in Lima offenbar zu Zugeständnissen an die Ureinwohner bereit.Ureinwohner-Proteste zeigen Wirkung
Zehn Tage nach blutigen Auseinandersetzungen zwischen Indianern und Sicherheitskräften in Peru ist die Regierung in Lima offenbar zu Zugeständnissen an die Ureinwohner bereit.
Regierungschef Yehude Simon bot am Montag an, zwei umstrittene Dekrete zur Ressourcen-Nutzung im Amazonas-Regenwald vollständig aufzuheben. Ein entsprechender Gesetzentwurf soll bereits am Dienstag im Parlament beraten werden.
Umweltminister Antonio Brack sagte, die Regierung habe so weit wie möglich eingelenkt, um den Frieden wiederherzustellen. Die Ureinwohner-Organisation AIDESEP kritisierte, dass die Regierung erst spät gehandelt habe.
Im April hätten die Dekrete noch als «unantastbar» gegolten, «35 Tote später» seien sie nun annullierbar. Die Organisation forderte Simon zum Rücktritt auf. Quelle: SDA/ATS
Ein informativer Artikel aus einer Region von der wenig zu hören ist. Man vergleiche die unterschiedliche Anzahl der Berichterstattungen im Vergleich zum Iran.
"Insgesammt gibt es 9 Dekrete, die die wirtschaftliche Entwicklung und die Förderung des Privateigentums in der Selva zum Ziel haben. Bei den besagten Dekreten steckt der Teufel im Detail, so wird z.B. die Privatisierung und anschliessende grossflächige Umwandlung von Waldgebieten in landwirtschaftlich genutzte Flächen (sprich Abholzen) erleichtert, wenn es dem "nationalen Interesse" dient. Interesse an dieser Nutzungsumwandlung von haben vor allem die in die Selva drängenden Ethanolproduzenten. Auch die von der ILO-Konvention 169 geforderte "consulta previa" wird abgeschafft, hier merkt man die Handschrift der Erölunternehmen, die dieser Prozedur ablehnend gegenüberstehen. Und es gibt viele weitere kleine Details, die in der Summe auf profunde soziale und ökologische Veränderungen abzielen. "
Die Informationen habe ich aus einer Rundmail von Adivasi einer deutschen NGO fuer indigene Voelker. Die zwei Dekrete werden wohl kaum reichen, um den Widerstand zu besaenftigen. Zur Zeit gibt es eine Mobilisierung des Militaers im Amazonasgebiet, die dort die Erdoelfoerderanlagen unter Kontrolle zu bringen, da diese von den Indigenas besetzt werden. Der Ausnahmezustand ist weiterhin in Kraft.
Dattel, ist das
www.adivasi-koordination.de/
?
wenn Uribe oder Garcia Indigenas oder Bauern töten ist das nicht der Rede wert (jedenfalls nicht für die „Bild am Montag“ [aka Der Spiegel] et. al.), hätten Chavez oder Morales so etwas gemacht, hätte die NATO sie womöglich bereits bombardiert… oder ausser Landes gebracht wie im Falle Aristide...
nun ja, in Haiti (2004) waren es die amerikanische, kanadische und französische Regierungen...
Democracy Now!
Headlines for June 17, 2009
www.democracynow.org/2009/6/17/headlines#13
Peruvian Prime Minister to Resign
Peruvian Prime Minister Yehude Simon has announced plans to resign following the bloody clashes between indigenous activists and the police. Simon has led negotiations with indigenous groups protesting decrees to foreign oil and gas development in the Amazon jungle. Meanwhile, the Peruvian Foreign Ministry has announced that it has granted safe passage to indigenous leader Alberto Pizango to leave Peru for Nicaragua, which has granted him political asylum. On Tuesday, Bolivian President Evo Morales accused Peruvian President Alan Garcia of committing genocide.
Evo Morales: “I’m convinced that what happened in Peru is genocide caused the free trade agreement. Privatization hands South America and Latin America’s Amazon forests over to multinationals. Now the free trade agreement is causing genocide not just in Latin America, but all over the world.”
In other news from Peru, protesters have blocked access to one of the country’s largest gold mines. Peru is the world’s sixth-largest gold producer.
A. Goodman's (Gewinnerin des alternativen Nobelpreises 2008) Democracy Now!
Headlines for June 15, 2009
www.democracynow.org/2009/6/15/headlines#10
Peruvian President Alan Garcia Accused of Ethnic Genocide
Peruvian President Alan Garcia is warning that police may have to use a “heavier hand” on indigenous protesters in the Amazon following the recent clashes that left over sixty people dead. Indigenous tribes fear losing control of natural resources after recent presidential decrees opened up investment on extending mining and oil drilling in the jungle. Indigenous activists in Peru are calling for investigations into the violence and the resignations of government officials, including Garcia. On Friday, the actress Q’orianka Kilcher spoke in Lima on behalf of the indigenous protesters.
Q’orianka Kilcher: “And I hear that Garcia has publicly declared my brothers and sisters of the Amazon to be ‘not first-class citizens.’ I have to say, shame on you, Alan Garcia, because we are all first-class citizens. We are all Peruvian. And I hear that you are criminalizing indigenous protesters by calling them terrorists and savages. Who gave orders to commit ethnic genocide? Who did?”