Placebo für die Stimmung

Personalie Clement Spezialist für das "Von-oben-nach-unten-Regieren" und Dienstleister für die Großwirtschaft

Die Berufung eines "Superministers" für Wirtschaft, Arbeit und vieles andere soll nach dem Willen Gerhard Schröders wohl ein Signal setzen, dass es von nun an aufwärts geht. So ein Signal wäre nötig. Darin stimmen Aktienbesitzer sogar mit Arbeitslosen überein. Aber ist Clement ein solches Signal?

Eine Bilanz seiner Arbeit als Ministerpräsident wirkt ernüchternd. Es fällt schwer, nur ein Erfolgsprojekt aus seinen über vier Amtsjahren zu nennen. Nachdem er 1998 Johannes Rau mit Hilfe von Bodo Hombach und Klaus Matthießen vom Ministerpräsidentenstuhl geschubst hatte, sollte es schon einmal aufwärts gehen. Doch NRW sieht alt aus: in der Wirtschafts- und Arbeitsmarktstatistik ist es zurück gefallen. Nach dem Ende der Bergbau- und Stahlindustrie ächzt das Ruhrgebiet unter Erwerbslosenzahlen, die sich mit den neuen Bundesländern messen können. Zwar sieht es dank der rheinischen Variante des Kapitalismus nicht so verslumt aus wie in manchen Gegenden des thatcheristischen Großbritannien, aber leer gezogene Wohnblocks gibt es im nördlichen Ruhrgebiet entlang des Kloakenflüsschens Emscher genauso wie in Halle.

In Clements Denken lebt der sozialdemokratische Wunderglaube an die Lösung gesellschaftlicher Probleme durch Technik weiter. Ob Medien- oder Biotechnologien, ob Magnetschwebebahn oder Braunkohle, alles was teuer ist, ist ihm gut genug, wenn es auch gut für die großen Konzerne ist. "Ich kann auch zu Bertelsmann gehen", soll ein häufig wiederkehrender Spruch von ihm gewesen sein, dessen Anwendbarkeit mit dem Sturz des Konzernlenkers Middelhoff allerdings beendet wurde. Energiekonzerne wie RWE und Eon können sich auf Kohleverstromung und Ministererlaubnisse für Konzernfusionen verlassen. Thyssen-Krupp darf sich weiter Hoffnung auf Transrapid-Milliarden machen - der Politiker als Dienstleister für die Großwirtschaft, das hält dieser neue Superminister für "modern".

Als Ministerpräsident hatte ihn die Wirklichkeit schneller eingeholt, als ihm lieb war. Im Ruhrgebiet ging nichts voran. Die Konjunktur wollte nicht anspringen; die Spekulationsblase in der Medienwirtschaft ist geplatzt. Zwar ist in der Region dank sozialdemokratischer Bildungspolitik in den siebziger und achtziger Jahren ein beachtliches akademisches Milieu herangewachsen. Aber Wolfgang Clement ist nichts mehr zuwider als Diskurs. Nachdem das angeblich "rote" Ruhrgebiet 1999 auch noch jede Menge CDU-Bürgermeister gewählt hatte, weil die SPD-Wähler in Scharen zuhause blieben, war es mit der Dialogbereitschaft der Landesregierung zu Ende. Es wurde nur noch von oben nach unten regiert, das Ruhrgebiet von drei verschiedenen Regierungspräsidenten aus Düsseldorf, Münster und Arnsberg. Ein Aufbruch geht anders.

Regierungshandeln wurde zunehmend in GmbHs ausgegliedert, um es parlamentarischer Kontrolle zu entziehen. Für "Modernisierer" Marke Clement bringt das mehr "Effizienz". In der Gesellschaft für Wirtschaftsförderung, der Medien GmbH und der Projekt Ruhr GmbH hat Clement mittlerweile Affären unterschiedlichen Ausmaßes an den Hacken, die der Steuerzahler mit einer zwei- bis dreistelligen Millionensumme bezahlen muss. Das kann ihn - Schröder sei gewarnt - noch in Berlin einholen.

So also nimmt das Muster, Ideen aus der Opposition aufzunehmen, wieder Gestalt an: Für die Fusion von Arbeits- und Wirtschaftsministerium hatte Stoiber Lothar Späth vorgesehen. Superminister Clement in einer solchen Funktion würde damit über rund 40 Prozent des Gesamthaushaltes verfügen. Auch die wichtige Grundsatzabteilung wandert wieder ins Wirtschaftsministerium. Diese Weichenstellung ermöglicht es dem Team Schröder-Clement nun, die Hartz-Pläne 1:1 durchzusetzen. Der Kanzlerstil der wenigen forschen Macher, die "durchsetzungsstark" und ohne Scheu "Wahrheiten" aussprechen, ist wieder da. Wie Schröder kennt man auch Clement als einen, der sich flugs über die Interessen der Partei hinwegsetzt. Die SPD hat in NRW bei der Bundestagswahl 600.000 Stimmen verloren. Ohne den deutschen Osten hätte Clement demnach Stoiber zum Bundeskanzler gemacht. Soll er das jetzt nachholen?

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