Pläne, die jährlich schrumpfen

Beispiel Masdar Abu Dhabi wollte 22 Milliarden Dollar in die erste ­klimaneutrale und müllfreie Stadt am Golf investieren. ­Inzwischen wurde das ­Projekt deutlich abgespeckt

Lautlos schwebt die Magnetbahn auf die neue Stadt zu. Kleine Häuser spenden sich gegenseitig Schatten. In den schmalen Gassen weht ein leichter Wind und die harte Wüstensonne fällt weich ge­filtert durch transparente Solarzellen. Dann gleitet die Kamera im Sinkflug an großen Parabolrinnenkraftwerken und Windrädern vorbei. „Normalerweise fliegen wir jetzt direkt in den Sonnenuntergang“, sagt Stararchitekt Sir Norman Foster. Hier endet die Simulation. Willkommen in der „Medina Masdar“, der ersten ölfreien Stadt in den Öl-Staaten des Mittleren Ostens.

Im Jahr 2008 verkündete Mohammed bin Zayed Al Nahyan, Kronprinz von Abu Dhabi, vor 2000 Gästen aus aller Welt, dass er langfristig 22 Milliarden Dollar in eine Stadt neuen Typs investieren wolle. Am Rande des Flughafens von Abu Dhabi gelegen, sollte die Stadt Raum für 50.000 Einwohner bieten, sich selbst mit Strom versorgen, keinen Müll ver­ursachen und auch ihr Wasser recyceln. Der grüne Weltgeist schien in der Wüste angekommen. „Wir wollen Abu Dhabi zum Zentrum der Zukunft der Energie machen“, hieß es. Selbst Prinz Charles von England schwärmte, die Stadt sei ein Projekt, das man mit der Mondlandung vergleichen könne.

Die neue Stadt war von Anfang auch die grüne Kulisse für ehrgeizige Investi­tionen in die Erneuerbare-Energien-Branche. Man rechnete mit jährlichen Gewinnmargen von 20 bis 30 Prozent. Schnell realisiert wurde das 600-Millionen-Dollar-Projekt „Masdar PV“ – in Deutschland. Das Solarunternehmen im „Gewerbepark Ichtershausen Thörey Autobahn“ bei Erfurt soll Dünnschichtzellen produzieren. Bisher liegt die Kapazität dieser Anlage bei 65 Megawatt im Jahr – angekündigt waren jedoch mindestens 210 Megawatt und eine weitere Fabrik in Abu Dhabi.

Heute, Jahre nach dem fulminanten Auftakt, hat sich die kalte Realität in dem kühnen Traum breit gemacht. Von der Medina Masdar stehen bisher nur einige Gebäude der Universität. In einem Ende 2010 verkündeten „aktualisierten Masterplan“ fehlen nicht nur die spektakulärsten Projekte, auch die Fertigstellung der Stadt wurde auf „2020 bis 2025“ verschoben.

Von den ursprünglichen Plänen zur Energieversorgung mit Wind- und Solaranlagen nahe der Stadt hat man sich verabschiedet. Nach dem Planungsupdate bleibt das Fernziel der vollständig er­neuerbaren Energieversorgung zwar erhalten. Strom und Wärme sollen jetzt aber auch von weiter entfernten Wind- und Solarkraftwerken kommen. Ganz beerdigt wurde das Projekt der fahrerlosen Elektroautos von der Firma 2getthere aus Utrecht.

Bei den Neubauten am Masdar-Institut wurden Wasser- und Stromverbrauch um die Hälfte gesenkt, vermelden die Planer stolz. Solche Werte erreicht aber heute jede neue Touristenanlage am Mittelmeer, denn als Vergleichsmaßstab dienen die Städte Dubai und Abu Dhabi. Die Metropolen der Vereinigten Arabischen Emirate haben den höchsten Energie- und Ressourcenverbrauch weltweit.

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