Platzecks Pleiten

Freischwimmer Der brandenburgische Regierungschef treibt in den Fängen seiner West-Beamtenschaft

Das Bruttosozialprodukt seines Landes ist jetzt das vierte Jahr in Folge gesunken. Die Arbeitslosigkeit liegt bei knapp 20 Prozent. Das von guten Geistern und zunehmend von seinen Einwohnern verlassene Brandenburg, wird von Pleiten geplagt, bei den regierungsgesteuerten Großprojekten hat man sich schon lange an die Flops gewöhnt.

Dass es nicht leicht werden würde, muss Matthias Platzeck geahnt haben, als er vor knapp zwei Jahren von Manfred Stolpe das Kommando übertragen bekam. Zu dicht saß Platzeck als Minister selbst mit am Tisch bei allen Entscheidungen, die dem Land heute so schwer auf dem Geldbeutel lasten. Und er wusste um die starke Lobby, die ihren Einfluss auf die Regierung immer zu nutzen verstand.

Den Umfragen zufolge kreiden die Bürger die wirtschaftlich katastrophale Lage eher den Sozialdemokraten als der Union an. Im Herbst rechnen viele SPDler bei den Landtagswahlen mit einer herben Niederlage. Die düsteren Daten sagen schwere Tage voraus: In diesem Jahr werden erstmals Brandenburgs Neuverschuldung und seine Zinszahlung einander die Waage halten, beide betragen rund eine Milliarde Euro. In Zukunft wird folglich das Land von neuen Krediten netto nichts mehr haben.

Die Probleme sind bekannt: 1992 hatte Brandenburg 130.000 Landesangestellte, die 15 Prozent des Landeshaushalts kosteten. Derzeit verfügt das Land über 58.000 Landesbedienstete, die 29 Prozent des Etats erfordern. Heute steht einer Durchschnitts-Beamtenpension von 2.700 Euro einer Durchschnittsrente des Normalbürgers von 800 Euro gegenüber. Natürlich wird über nichts anderes als die weitere Absenkung der Rente verhandelt, das scheint weder den Ministerpräsidenten noch Sozialminister Günter Baaske (SPD) zu stören.

Der Weizen blüht für diese Mischung aus rheinländischem Schunkelgemüt und Manfred Stolpes "kleiner DDR". Die Ungerechtigkeit ist in Brandenburg juristisch hervorragend abgesichert. Kürzlich wurde ein "Solidarpakt" unterzeichnet. Der öffentliche Dienst verzichtet demnach auf bis zu 7,5 Prozent vom Gehalt im Austausch gegen anderthalb bis drei Wochen mehr Urlaub. So sieht es aus, wenn ein Mandarinentum mit sich selbst solidarisch ist. Dass die 3.500 Beamten (plus 700 Angestellten) mit Westherkunft von je her in Brandenburg die Verwaltungsspitzen besetzen und auch Westgehalt beziehen, versteht sich von selbst. Diese Verletzung des Grundsatzes "gleicher Lohn für gleiche Arbeit" ist dem ewig klammen Land Brandenburg alljährlich zwischen 20 und 30 Millionen Euro wert. "Für Brandenburg nur das Beste", begründete Stolpe einst diesen Kurs. "Klasse statt Masse", lautet die Phrase, mit der Innenminister Jörg Schönbohm seine Beförderungspraxis rechtfertigt.

Wohin diese "Besten" das Land geführt haben, ist bekannt. Nur die Hälfte dessen, was Brandenburg 14 Jahre nach der Wende ausgibt, nimmt es selbst ein. In den vergangenen Wochen hat das Bild vom uneigennützigen Aufbauhelfer allerdings Flecken bekommen. Ins Visier geriet gerade jener Personenkreis, der enormen Einfluss auf die Regierung hat: Die Staatsbediensteten. Sie haben alles. Vom Kinderzuschlag bis zum Sterbegeld. Sie beziehen Westgehalt, Trennungsgeld. Sie haben Arbeitsplatzgarantie, Beihilfen zur privaten Krankenversicherung, Familienzuschlag, Ortszuschlag, Ausgleichszulage, automatische Gehaltserhöhungen, den längsten Urlaub und - weil das noch nicht reicht - auch Bildungsurlaub, hohe Pensionen und lange Zeit auch die Ministerialzulage. Wenn sie sich versichern, haben sie die günstigsten Tarife. Wenn sie Kredite aufnehmen, die niedrigsten Zinsen. Wenn sie umziehen, dann wird es ihnen bezahlt bis hin zum neuen Küchenherd. Und sie haben ihre Sturmspitzen im Potsdamer Parlament, die jeden aggressiv angreifen, der diese Wirtschaft auch nur punktuell in Frage stellt.

Nun aber stellt sich heraus, dass unter ihnen Eierdiebe sind. Die "Trennungsgeldaffäre" hat den Präsidenten des Landes-Verfassungsgerichts das Amt gekostet, der Präsident des Cottbusser Oberverwaltungsgericht ist beurlaubt, der Generalstaatsanwalt schwer beschädigt. Der Landesrechnungshof und eine externe Jury nehmen sich nun jeden einzelnen Trennungsgeld-Fall vor. Ein Minister hat schon vorsorglich Trennungsgeld zurück gezahlt. Abertausende Beamte oder Richter waren seinerzeit abgeordnet, waren also Trennungsgeld-Kandidaten. Die Bürger warten auf die Ergebnisse der Nachforschungen. Der Regierungschef muss in dieser trüben Brühe mitschwimmen. Und gerade das könnte ihn sein Amt kosten.


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