Sportplatz Irgendwer sollte mal gegen die Inflation des Hörbuchs Maßnahmen ergreifen. Dieter Kürten, "Mister Sportstudio" und der öffentlichste Katholik des ...
Irgendwer sollte mal gegen die Inflation des Hörbuchs Maßnahmen ergreifen. Dieter Kürten, "Mister Sportstudio" und der öffentlichste Katholik des deutschen Sportjournalismus, gibt einem dafür gute Argumente an die Hand. Der Ziehvater des Flauschimoderators Michael Steinbrecher hat eine Autobiographie geschrieben und dazu eine Doppel-CD mit 160 Minuten Länge besprochen. Titel beider: Drei unten, drei oben - Erinnerungen eines Sportjournalisten.
Fast 40 Jahre diente Dieter Kürten beim ZDF. In vier Dekaden hat er einen Stil kultiviert, der die Unterwürfigkeit des smarten Opportunisten mit der Belanglosigkeit des Sport-Jet-Setters paart. Der Kleinbürger in Klamotten von der Düsseldorfer Kö ist zum Inbegriff des allkompatiblen Plauderers gew
en Plauderers geworden, dem es um wenig anderes geht als um das eigene Fernsehbild, das er nun von sich noch einmal nachgezeichnet hat - das Bild des lackierten Laberers, dem ein Geistesverwandter wie Franz Beckenbauer vorwörtlich verdientermaßen um den Bart schmiert: "Dieter besitzt die Gabe, in einer sehr behutsamen Art seine Fragen zu stellen, so gelassen, daß man oft gar nicht merkt, wie kritisch sie gleichzeitig sein können." Kritisch? Wenn sich Kritik im Kleister der Phrase kontrafaktisch ausgedrückt sieht, dann ja. Und Amen.Dieter Kürten, der knapp 400 Mal das Aktuelle Sportstudio moderierte, startete seine Laufbahn mit einer Kindheit, in der, hören wir Apostel Silberscheitel psalmieren, "das Leben so gespielt" habe. Die Mutter habe gegen den Vater, einen versoffenen Duisburger Journalisten, "einen stillen Groll gehegt". Ihr häusliches "Tagespensum" sei "mehr als randvoll" gewesen, derweil sich der Alte - "ein fixes Kerlchen", das "nicht auf den Mund gefallen" war, "ein liebenswürdiger Bruder Leichtfuß", dem alles "wie reife Früchte in den Schoß fiel" - durch die Kneipen trieb.Der "Luftkrieg" kam, und im Bombenkeller, "fürwahr kein einladender Ort", war´s kein Zuckerschlecken. Vom Krieg jenseits der Stahlstadt, der irgendwie "nach der Machterschleichung der Hitler-Partei" ausgebrochen war, kein Wort. Deshalb wurde es aber auch langsam Zeit für die Nachkriegszeit: "Das Tauschgeschäft florierte." Und: "Amizigaretten hatten nach dem Krieg den unbestrittenen Rang einer Leitwertung inne.""Mir fällt es bis heute schwer, Lebensmittel wegzuwerfen", verarbeitet Kürten die Zeit der Not. Noch immer verfüttert er auf dem Mainzer Lerchenberg Brotreste "an die ewig hungrige Entenschar". Dabei erinnert er sich an die "hübsche Nachbarstochter" und an seine Fußballerkarriere: "Mit reiner Schönspielerei war noch nie ein Pokal zu gewinnen.""Ich habe nicht lange gefackelt", reportiert der stets "zuverlässige" und "pünktliche" Sekundärtugendhafte. Stante pede trat er daher eine Lehre an und merkte: "Lehrjahre sind keine Herrenjahre." Beim Düsseldorfer Mittag bot sich ihm sodann die Gelegenheit, "das Geschäft von der Pike auf lernen". Dort "wurde mir der journalistische Grob- und Feinschliff verpaßt", teilt Kürten mit und beichtet, an der Seite von einem "meiner liebsten Freunde", Helmut Markwort, habe er "das große Einmaleins des Journalismus gelernt". Weshalb er naturgemäß zum Chef vom Dienst aufstieg: "CvD ist nichts für schwache Nerven." Denn: "Es gab solche und solche Kollegen." Trotzdem insgesamt "eine herrliche Zeit".Auf die eine noch schönere folgt. "Das Fernsehen ruft", spricht Kürten, Dieter. Wie sein Freund Horst Vetten "kannte er Gott und die Welt", "hörte er das Gras wachsen" und stellte sich bei Georg Heinrich Wilhelm Thoelke vor, einer "Erscheinung von Format". Der "Tausendsassa", der "auch ein harter Hund sein konnte", eröffnete dem Spund am 21. Oktober 1967 die Chance, "ins gleißende Licht der Sportstudio-Kameras" zu treten. Es "schlug für mich die Stunde der Wahrheit", und "es hagelte Komplimente" hinterher.Geboren für den "Flimmerkasten", veredelte Kürten das "revolutionäre Format, das weltweit seine Nachahmer gefunden hat" und das "den Mainzern zu einem ersten nachhaltigen Popularitätsschub verhalf" (Stichwort "Sport, Spiel, Spannung"), mit einer "Ausstrahlung", die sich "am Bildschirm [...] nicht per Knopfdruck herstellen" lässt. Man "überzog gnadenlos" und hatte, "so sicher wie das Amen in der Kirche", die berühmte Torwand parat: "Die Torwand produzierte viele hübsche Geschichten, und hinter denen sind wir Fernsehentertainer her wie der Teufel hinter der armen Seele."Ende der Achtziger rekrutierte der fromme Kürten den begabten Günther Jauch fürs ASS (der war "wie vom Donner gerührt" und "wußte nicht, wie ihm geschah"), 1992 als dessen Nachfolger schließlich Steinbrecher. Davon abgesehen, dass der Duisburger Vollblutjournalist damit abermals seinen "Riecher" unter Beweis gestellt hatte, vermittelt Kürten im Rückblick ("Natürlich war nicht alles eitel Sonnenschein") nochmals eindrucksvoll, dass er immer verstand, "Tacheles zu reden", "Klartext" zu reden und "ans Eingemachte" zu gehen. Über den großen Kollegen Harry Valérien ist deshalb praktisch nichts zu erfahren."Unzählige Geschichten von außergewöhnlichen Menschen" will Drei unten, drei oben erzählen. Wo ein Wille, da kein Weg - außer derjenige der uralten 1:0-Lebensberichterstattung. "Schwamm drüber." (Dieter Kürten)
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