Plüsch

Sex als Hygiene Beate Uhse hätte das Zeug zur feministischen Ikone gehabt

Ein schwarzer Trauerflor bedeckt die rechte Ecke ihres Bildes. Darunter, auf einem Sockel, liegt ein neues Gästebuch im Berliner Erotikmuseum. »Ich hätte dich gerne kennengelernt«, steht darin, »ohne dich wären wir nicht so weit« oder gar »ich liebe dich«.

Seltsam unberührt blieb die in der vorigen Woche mit 81 Jahren verstorbene Frau - ledige Köstlin, verheiratet erstens Uhse, zweitens Rotermund - von all dem Schmuddelkram den sie verkauft und per Versand vertrieben hat. So sahen wir sie oft, die Uhse vor oder hinter den Plakaten ihrer Pin-Up-Damen. Sie, sechzig-, siebzig-, achtzigjährig, gebräunt mit Bubikopf, das ledrige Gesicht vom Lifting leicht verzogen, inmitten einer Reihe vollbusig frischer Beauty-Häschen. Keine andere Frau hätte den Vergleich gewagt, die Uhse aber guckte so, als sähe sie das Problem hier nicht, verstand es geschickt, sich zum Produkt zu stellen ohne selber eins zu werden.

»Sex-Königin« nannten die Gazetten sie, »Erotik-Imperium« ihr äußerst lukratives Unternehmen. Die Frau war die Regentin eines fernen und doch allzu nahen Reiches, Mutter-Imago für ein Volk bedürftiger Kunden. Eine Mutter dazu, die nicht auf die Bettdecke haut, wenn sie den Sohn mit der Hand an der falschen Stelle erwischt, im Gegenteil. Dafür ist der Mann dann dankbar und schreibt ihr sein »ich liebe dich« befreit ins Trauer-Gäste-Buch. Das war ihr Kunststück mit der unternehmerischen Weiblichkeit. Nur eine Frau kann Sex als Hygieneartikel verkaufen und die weibliche Kundschaft und den ganzen deutschen Osten mit ins Boot nehmen.

Was hat man der Pornografie nicht alles vorgeworfen! Sie sei entfremdeter Genuss, Frauen verachtend, Gewalt verherrlichend, pervertierend, machtbesessen, verdinglichend, in Reinform falsches Heilsversprechen einer entfesselten Kulturindustrie. Das Empörendste aber ist, so will uns scheinen, dass Pornografie im Herzen reichlich kleinlich ist und ungeniert den Kitsch bis zur Groteske treibt. Beate Uhses Katalog birgt Plüschtierumhüllungen fürs männliche Gemächt und Gleitgel »Glitschi-Exzess« für allerlei Revolutionen. »In der Arbeiterklasse«, meinte die Unternehmerin, »war Sex immer etwas einfacher.«

Kein Zweifel, die Uhse hatte das Zeug zur Ikone, doch als Feministin hat man eine liebe Not mit ihr. In den Nachrufen sieht man sie als junge Luftwaffen-Pilotin, man liest von ihren Knaus-Ogino-Wohltaten für die Nachkriegsfrauen. Sie war aus dem Stoff, aus dem Heldinnen sind, zäh, nicht zimperlich, unbeirrbar geradlinig und ohne große Vorliebe fürs eigene Geschlecht. Ist es ein Zufall, dass sie, ganz wie Leni Riefenstahl, es genoss in die Höhen zu steigen und in die Tiefen zu tauchen und spät eine Vorliebe für schwarze Haut entdeckte?

Rund 78 Millionen Porno-Videos gehen jährlich in Deutschland über die Ladentische diverser Hardcore-Verleihe, nur ein Prozent von ihnen stammt aus weiblich geleiteter Produktion. Ob es so etwas wie »weibliche Pornographie« überhaupt geben könne, ist eine lange Diskussion, doch es steht zu vermuten, dass Frauen-Pornos nichts wesentlich anderes zum Inhalt hätten als ihre männlichen Pendants. Unterm Phallokrat sind letztlich alle Phantasien gleich. Der kleine Unterschied allein läge im Wie. Die weibliche Klientel und auch die Produzentinnen, so zeigt es beispielsweise eine Studie Frauenpornografie von Corinna Rückert, bevorzugen niveauvollere, weniger direkte Erregungen. Nichts leichter als das, sollte man meinen, auch diese Nachfrage ließe sich pushen. Allein bei der Uhse GmbH ist zu hören, dass man die Filme der Firma femme fatal - der einzigen halb weiblich geführten Videoproduktionsfirma in Deutschland - aus dem Programm nehmen werde. Die Produkte, heißt es, seien nicht nachgefragt und inhaltlich - was immer das bei Pornos heißen mag - zu wenig ausgereift.

1989 wurde Beate Uhse als »Pionierin für liberale Sexualität« für das Bundesverdienstkreuz vorgeschlagen. Der Coup misslang, so viel Ehre sollte der halbseidenen Dame nicht zukommen. Hätte sie einen Teil ihres Imperiums dazu genutzt, Frauen-Pornografie zu stützen, wir hätten ihr - Geschmack hin, Geschmack her - gleich mehrere feministische Orden an den Kragen geheftet. Allein das hat die Fliegerin wohl nicht gewollt.

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden