Pogromstimmung

Kommentar Mord-Terror in Nahost

Nach dem Mord am israelischen Tourismusminister Rehavam Zeewi sprechen im Nahen Osten wieder die Waffen. Israel führt einen offenen Krieg gegen die Palästinenser. Mäßigung in dieser Situation wäre zwar das Gebot der Stunde, ist aber von einer Regierung Sharon nicht zu erwarten, in der Nationalisten und religiöse Fundamentalisten den Ton angeben und der Ministerpräsident selber zu den Extremisten zählt. Vernunft und der Zurückhaltung sind auch in der israelischen Gesellschaft kaum hörbar. Wäre nicht dieser Mord ein Anlass gewesen, innezuhalten und über die Ursachen von Terror und Gegenterror nachzudenken? Dagegen dominiert der Rachegedanke: Auge um Auge! Zeewis Ermordung war die Antwort auf die Tötung Ali Abu Mustafas, des Generalsekretärs der PFLP in den besetzten Gebieten, so die Begründung der Organisation. Israel muss sich fragen lassen, warum es 58 führenden Aktivisten durch das israelische Militär hat ermorden lassen.

Sharon versucht, dieses Attentat auf eine Ebene mit dem am 11. September in New York zu heben, um so seine Schläge gegen die Palästinenser zu legitimieren. Davon kann natürlich keine Rede sein. Die Lage ist völlig anders, und dies weiß auch Sharon. Er hat Außenminister Peres für immer untersagt, sich mit Arafat zu treffen, den er als "unseren bin Laden" bezeichnet. Innerhalb von sieben Tagen soll Arafat die Mörder ausliefern, so das Ultimatum Sharons. Was macht er, wenn der PLO-Chef nicht "gehorcht"? Selbst wenn der die Täter kennen würde, könnte er sie nicht ausliefern. Es wäre sein Ende.

Will Sharon vielleicht seinem kriegslüsternen Generalstabschef Shaul Mofaz freie Hand lassen, der vollenden möchte, was 1948 mit der Vertreibung von Palästinensern begann? Das geistige Klima für eine solche Aktion ist in Israel vorhanden: "Lasst die IDF (Armee) gewinnen", lautet der populäre Slogan.

Die Situation in Israel und Palästina ist total verfahren. Einen Ausweg könnte nur eine sofortige Friedensinitiative der USA bringen. Aber Bush ist damit beschäftigt, fast die ganze Welt in einen "Krieg gegen den Terrorismus" zu führen. Dieses amorphe Etwas, das nicht sicht- und fassbar ist, könnte sich für die Region des Nahen und Mittleren Ostens als Katastrophe entpuppen, wenn es zu keinem schnellen Erfolg kommt. Bush und der britische Ministerpräsident Tony Blair haben kryptisch den Palästinensern einen Staat versprochen, wenn sie sich der Anti-Terror-Allianz anschließen. Hoffentlich ergeht es den Palästinensern nicht wie den Arabern 1916, als sie in Sykes-Picot-Abkommen schon einmal vom Westen betrogen wurden. Zeewis Sohn hat am Sarg seines toten Vaters folgendes politisches Vermächtnis geäußert, das bisher keine israelische Zeitung gedruckt hat: "Die Araber sollten sich bewusst werden, dass sie nur vorübergehend im Lande Israel leben, und diese Zeit bald enden wird." Auch Sharon erklärte kürzlich, die Heimat der Palästinensern sei in den arabischen Staaten.

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