Keine Ahnung, wie oft mich Facebook schon gesperrt hat. Seit Oktober 2022 traf es mich sechsmal. Das kennt, wer dort mit etwas Reichweite zu politischen Themen postet. Eskaliert ist die Sanktionsflut seit 2020 im „Kampf gegen Fake News“. Seither werden Posts offenbar kaum noch von Menschen geprüft: Die meisten meiner Sperren erfolgten binnen Sekunden.
Und die Zensur ist primitiv: „Anstiftung zu Gewalt“? Ich hatte einen Artikel geteilt, dem zufolge in einigen Städten diskutiert werde, Parkplätze an SUV auszurichten – mit dem Kommentar, da könne man auch gleich Atombomben abwerfen. Doch Sarkasmus kennt die Software nicht. „Verstoß gegen die Gemeinschaftsstandards zu gefährlichen Organisationen und Personen“? In einer Debatte zu den Sachsenkriegen des achten Jahrhunderts hatte ich Adolf Hitlers Verherrlichung Karls des Großen thematisiert. Doch der Gröfaz kann schon kritisch sein, wenn man auf dem Kieker ist. 2021 setzte es 30 Tage für das „Ausrotten“ von Covid-19 – und weitere 30 für einen Screenshot des Posts. Ein Zeit-Artikel darüber, dass die AfD umso mehr Stimmen bekommt, je biodeutscher ein Wahlkreis ist? Auch dafür wurde ich bestraft.
Auch Einsprüche blitzten sekundenschnell ab, offenbar ebenso automatisch. Dafür wuchs das Strafmaß auf inzwischen je 30 Tage Sperre plus 60 Tage Timeline-Bremse. So habe ich trotz knapp 9.000 Follower:innen auf Facebook kaum noch Reichweite. Auch mit Löschung wird gedroht. Und das auf undurchschaubarer Basis. Dass es etwa in meinem Covid-Post um das „Ausrotten“ ging, fand ich experimentell heraus: Ich benutzte das Wort in einem Kommentar noch einmal – er wurde sofort gelöscht. Kafka lässt grüßen.
Die Primitivität dieser Zensur-KI wirkt in Zeiten von ChatGPT grotesk. Kann man es nicht besser? Wahrscheinlicher ist hier vorsätzliche Dumpfheit: Meta will politische Posts nicht wirklich. Jede Social-Media-Plattform strebt eine möglichst große Userschaft an, weil sich das monetarisiert. Da sind Urlaubs- und Haustierfotos hilfreicher als kontroverser Content. Ob einer Nazi ist oder Hitler kritisch erwähnt: Beides könnte Nutzer:innen vergraulen.
Bloß niemanden vergraulen!
Klar bringt Politik auch Traffic – und Facebook ist dafür geeigneter als andere Plattformen, weil es längeren schriftlichen Ausdruck ermöglicht. Also lässt man solche Themen zwar zu, setzt ihnen durch jenes KI-Regime aber einen engen liberalen bis konservativen Rahmen. Rechts- wie Linksabweichungen werden bestraft. So können neue Politik-Accounts auf Facebook kaum noch Reichweite aufbauen. Überwiegend politische Accounts mit größerer Reichweite sind meist schon vor Jahren gewachsen – und stagnieren heute, wenn sie nicht schrumpfen. Bei Instagram oder Youtube ist es nicht viel anders, nur wird schneller komplett gelöscht.
Social Media wollen keinen „Extremismus“. Argumentiert wird mit dem Hausrecht. Nur geht es hier nicht um Hausverbote in einer Kneipe. Sondern um die Orte, an denen heute ein sehr großer Teil des politischen Diskussions- und Meinungsbildungsprozesses stattfindet. Noch loben Linke den „Kampf gegen Hassrede und Fake News“. Dass heute aber eher rechtsradikaler als linker Content bestraft wird, liegt nur daran, dass die Rechte momentan relevanter ist. Gäbe es einen tiefgreifenden Linksruck, würden Social-Media-Konzerne die Linke mehr fürchten als die Rechte – und im Namen des gleichen Kampfes tilgen, was auch nur links riecht.
Das Fanal zur Revolution wird also nicht auf diesen Plattformen gepostet werden. Und vergesellschaften könnte man diese erst nach derselben. Progressive Non-Profit-Plattformen wären auch dann keine Alternative, wenn sie funktionierten – man will ja Breite und keinen Safe Space. Auch eine Geheimsprache, die Dinge sagt, ohne sie auszusprechen, könnte nur zu Bekehrten predigen. Nein: Vorerst bleibt nichts anderes, als sich immer wieder auf Facebook & Co. kujonieren zu lassen.
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