Dick, Jahrgang 2008, eine Spezialkraft der African Wildlife Foundation
Foto: Simon Maina/AFP/Getty Images
Es ist kein Mann denkbar ohne eine Mission. Etwa, das Wort eines lieben Gottes in der Welt zu verbreiten. Oder: Die Briefmarkensammlung (DDR und Trinidad-Tobago, 1949 bis 1974) vollzukriegen. Oder: Das Unkraut zwischen den Betonplatten vorm Haus, das verfluchte, auszumerzen, in einem täglichen, titanischen Abwehrkampf. Irgend so was hat jeder. Braucht jeder. Damit das Leben einen Sinn bekommt.
Ich selber habe vor Jahren eine Mission angenommen, die mir meiner Persönlichkeit angemessen schien: Ich wollte die Welt vereinen. Dass alle mit allen sich aussöhnen, alle mit allen Kontakt kriegen, einander verstehen. So in dem Stil. Dafür schrieb ich Bücher. Dafür hatte ich, weil das mit dem Bücherverlegen sich oft so hinzieht, auch einen Blog: Afrikaspicker hie
spicker hieß der. Und er war in meinem Plan ein entscheidendes Instrument, uns hier oben mit denen da unten, unseren fernen Verwandten, zu versöhnen. Denn ich fand, man wisse zu wenig von denen. Wie die leben. Was die glauben. Mit welchem Unsinn die sich herumschlagen müssen. Ich fand, bei uns hier oben würde darüber einfach zu wenig berichtet. Und so scannte ich online Nachrichten, faszinierende, verstörende und erheiternde Nachrichten aus dem Kontinent Afrika, der bei uns ungefähr so viel mediale Aufmerksamkeit bekommt wie, nun, sagen wir, Berlin-Lankwitz. Die Nachrichten verlinkte ich auf meinem Blog, und ich moderierte sie unwiderstehlich an. Irgendwann musste man doch darauf aufmerksam werden!Mugabe: alt und faltigIch meine, was waren das für großartige Themen? „Mugabe alt und faltig? Wer’s sagt, kommt ins Gefängnis“ – „Öl schwimmt oben: US-Gericht kann Shell nicht wegen Menschenrechtsverletzungen in Nigeria verurteilen.“ – „Tansanische Atombehörde stellt fest: Handy-Anrufe, die töten können, gibt es gar nicht!“ – „Uganda: Menschenförmige Maniok-Knolle verbreitet Schrecken und Angst“. Solche hinreißenden Dinge sprangen einen da an, Tag für Tag, und es schien nicht nachvollziehbar, warum das nun weniger interessant sein sollte als Abwrackprämie, Dschungelcamp oder öffentlich bedienstete Streiktütenträger.Na ja gut, das ging so eine Zeit lang. Wollte aber keiner lesen. Ich stellte den Blog wieder ein. Plante stattdessen ein Buch über Schnittrosen aus Ostafrika, supertolles Globalisierungsthema! Wurde aber nichts draus. Also schrieb ich ein Buch darüber, wie ich das Schnittrosenbuch eben nicht schrieb. Wurde was draus. Wollte aber keiner lesen. Seitdem lebe ich versuchsweise in der Realität. Auch mal interessant. Aber öde. Immer derselbe flaue Wind geht durch den Blätterwald. Daher habe ich beschlossen, wenigstens den Freitag exklusiv mit ein wenig echtem afrikanischen Nachrichtenstoff aufzupeppen.Da kommt man jetzt zum Beispiel gar nicht an den prächtigen Elfenbeinhunden vorbei. Am Flughafen Nairobi sind sie im Einsatz, und sie widmen sich einer Aufgabe, die alle meine Ideen von einer zusammenwachsenden Welt noch weit transzendiert. Denn kannte man diese dienstbaren Tiere bislang immer nur als Drogencops oder Bombenfahnder, also als Ausbader menschlicher Misslichkeiten, so kommt jetzt, ausgebildet von der African Wildlife Foundation (AWF), eine neue Generation von Schnüffelhunden. Die bekämpfen das ausufernde Wildererproblem, die hanebüchene Jagd auf Elefantenstoßzähne und Nashornhörner, einen dieser aberwitzig archaischen Skandale, mit denen wir uns im dritten Jahrtausend immer noch herumschlagen müssen. Die Chancen stehen leider so, dass das Problem sich selbst abschafft. Indem es die beteiligten Tierarten bald ausgerottet haben wird.Im AusbildungscampSo liest man bei der AWF, dass die Zahl der Nashornmorde sich seit 2007 nicht verdoppelt oder so, sondern, bitt’ schön, verdreißigfacht hat. Kenia will in Kürze einen beschlagnahmten Fundus von 120 Tonnen Elfenbein vernichten – rechnen Sie das bitte selber in Elefantenlebensjahre um. Die Wilderer sind gut ausgebildet, gut ausgestattet und, natürlich, bewaffnet. Der Kampf gegen sie schien seit Jahren ein aussichtsloser zu sein.Aber nun hat man Spezialkräfte im Einsatz, sehr, sehr niedliche zumal. Da ist etwa Dick, der aufmerksame belgische Schäferhund, der vor Reportern eine kleine Elfenbeinschnitzerei aufspürt. Oder Ashs, der schwarzweiß-flauschige spanielartige Mix, der sich für die Fotografen durchs Gepäck schnüffelt. Dass der Jomo Kenyatta Airport von Nairobi als Umschlagplatz dient, ist lange bekannt. Bei Flügen aus der DR Kongo und aus Mosambik und bei Flügen nach Guangzhou/China hat man gute traurige Chancen, Überreste von Dickhäutern zu finden, die für den menschlichen Aberglauben und für die menschliche Prunksucht vulgo Angeberei getötet wurden. Hier wachen jetzt allerdings die Hunde, 24/7! Sie sind nicht auf Drogen, nicht auf Explosivstoffe geeicht. Sie suchen und sie finden: Elfenbein. Nashornhorn.Sie haben schon für einige Festnahmen gesorgt, hier und am Hafen von Mombasa – und auch in Tansania sind bereits eifrige Kollegen am Werk mit dem unüberbietbaren Hightech-Suchwerkzeug der Hundenase. Hat man je einen solchen Kampf fürs Gute gesehen? Hier streben, Seit’ an Seit’, Mitglieder verschiedener Spezies, Hund und Mensch, um eine dritte und vierte zu retten. Wie utopisch, wie beflügelnd ist das!Ich lese alles durch, ich klicke auf Youtube die Videos an: sind so fleißige, so gutartige Tiere. Wie sie in ihrem Ausbildungscamp alte Autos anschnüffeln, wie sie, von Nashornretter-Azubis geführt, über etwas flanieren, das wie ein Golfplatz aussieht. Wie sie sich knuddeln lassen. Ihr Lohn, heißt es, ist die Liebe, die sie von ihrem Hundeführer bekommen. Und Liebe, nicht wahr, ist doch alles, was wir brauchen? Sowie ab und zu ein paar gute Nachrichten, die uns Wärme und Freude schenken in unserem schattigen, düsteren Blätterwald.
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