Das Versprechen der sozialen Marktwirtschaft

Pro Grunderbe Erbschaften zementieren die ungleiche Vermögensverteilung in Deutschland. Warum ein Erbe für alle hier Abhilfe schaffen könnte
Ausgabe 05/2022
Das Versprechen der sozialen Marktwirtschaft

Illustration: der Freitag

„Wohlstand für alle“ ist ein zentrales, aber nicht eingelöstes Versprechen der sozialen Marktwirtschaft. Die Vermögensungleichheit bleibt groß. Da die Masseneinkommen in den letzten Jahrzehnten nicht mehr stark wuchsen und die Einkommensverteilung ungleicher wurde, ist die Vermögensbildung für die arbeitende Mitte schwerer geworden. Die stark gestiegenen Vermögenspreise und die sinkenden Renditen tun ihr Übriges. Das entwertet Vorsorgesparen und Altersvorsorge. Und junge Familien können sich Eigenheim oder Eigentumswohnung in Ballungsräumen nur noch leisten, wenn sie erben.

Die sehr ungleiche Vermögensverteilung wird generationell weitergegeben. Die meisten erben wenig oder nichts. Nur 25 bis 30 Prozent erhalten Beträge über 100.000 Euro, meist erst in höherem Alter. Nur wenige erhalten bereits in jungen Jahren größere Beträge, und sehr wenige bekommen sehr viel. Das reduziert Chancengleichheit und Meritokratie innerhalb einer Generation beträchtlich.

Hier setzt das Grunderbe an. Alle jungen Erwachsenen bekommen Startkapital vom Staat – nicht „cash auf die Kralle“, sondern gebunden für Aus- und Weiterbildung, Erwerb von Wohneigentum, Unternehmensgründungen, Finanzvermögensbildung oder Altersvorsorge. Bei 20.000 Euro pro Kopf würde das 15 Milliarden pro Jahr kosten.

Das ist finanzierbar, naheliegend durch eine Erhöhung der Steuern auf hohe Vermögen und Immobilien. Die sind in Deutschland relativ gering, während Erwerbseinkommen sehr hoch belastet werden. Gerade große Erbschaften und Schenkungen ab dem zweistelligen Millionenbereich werden häufig nur gering besteuert, da Privilegien ausgenutzt werden – etwa für Unternehmensnachfolgen. Ein Abbau dieser Vergünstigungen könne das Aufkommen an Erbschaftsteuern längerfristig nahezu verdoppeln. Effektiver besteuern sollte man auch die Immobilienvermögen bei der Grundsteuer und die Veräußerungsgewinne bei der Einkommensteuer. Bei der Grunderwerbsteuer sollten Gestaltungsmöglichkeiten per „share deals“ abgeschafft werden. Im Gegenzug kann man einen Freibetrag für den Ersterwerb von Wohneigentum einführen, wie es die Ampel auch plant. Auch eine Wiedereinführung der Vermögensteuer sollte nicht tabu sein – für Superreiche, ab etwa persönlichen Vermögen von 20 Millionen.

Grunderbe und Vermögensteuern würden die Vermögensungleichheit in Deutschland spürbar verringern. Der Gini-Koeffizient – die statistische Einheit für Vermögensungleichheit – sänke um fünf bis sieben Prozent. Das ist sehr viel für dieses Maß.

Natürlich soll der Staat auch die laufende Vermögensbildung der Mittelschichten effektiver fördern. Neben der Reform der Grunderwerbsteuer sollten Spar- und Wohneigentumsförderung ausgeweitet und besser auf die relevanten Schwellenhaushalte zugeschnitten werden. Die betriebliche und private Altersvorsorge sollte erleichtert und kostengünstiger gemacht werden oder der Sparerfreibetrag bei der Einkommensteuer erhöht – was die Ampel auch plant. Nur dürfte das an der großen Vermögens- und Chancenungleichheit in unserer Gesellschaft nur wenig ändern, und auch nur langfristig.

Wohlstand für alle ist möglich. Es reicht aber nicht, nur die Vermögensbildung der arbeitenden Mitte zu fördern. Man muss auch umverteilen. Dazu sollten leistungslose Bereicherungen wie Erbschaften und Vermögenszuwächse moderat stärker belastet werden, um ein Grunderbe als Startkapital für alle zu finanzieren.

Info

Lesen Sie hier eine Gegenrede von Ralf Krämer auf diesen Artikel.

Stefan Bach hat am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung eine Studie zum Grunderbe mitverfasst

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