Prodis letzte Chance

Italien Die Regierungskrise war besonders für die Kommunisten von Nachteil

Kurz vor der Vertrauensabstimmung im italienischen Senat (sie fand nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe statt) sprach vieles dafür, dass Romano Prodi und die von ihm angeführte Koalition noch einmal davon kommen könnte. Die professionellen Kaffeesatzleser der Tageszeitung La Repubblica prognostizieren eine Mehrheit von 163 zu 157 Stimmen für den bisherigen Regierungschef. Doch auch wenn es so kommt - danach wird einiges anders sein als vor der Mitte vergangener Woche ausgebrochenen Krise.

Deren Ursprung lag nicht zufällig in einem Dissens über die Grundlagen der italienischen Außenpolitik, wie sie vom zuständigen Minister, dem Linksdemokraten Massimo D´Alema, am 21. Februar im Senat vorgetragen wurden: Der am heftigsten umstrittene Punkt seiner Rede, über die dann abgestimmt wurde, war die Fortsetzung der italienischen Beteiligung an der ISAF-Mission und damit dem Krieg in Afghanistan. D´Alema selbst hatte der Abstimmung grundlegende Bedeutung zugeschrieben: Ohne eigene Mehrheit in dieser Frage könne Mitte-Links "nach Hause gehen". Die Auszählung ergab dann nur 158 Ja-Stimmen - bei 136 Gegenstimmen und 24 Enthaltungen hatte der Antrag der Regierung die Mehrheit von 160 Stimmen verfehlt.

Anders als von großen Teilen der europäischen Medien dargestellt, war es nicht allein die Verweigerung der kommunistischen Senatoren Franco Turigliatto (Rifondazione Comunista/RC) und Ferdinando Rossi (ehemals Comunisti Italiani), die zur Abstimmungsniederlage führte. Hätten sie zugestimmt, statt dem Votum demonstrativ fern zu bleiben, wäre das Ergebnis das gleiche gewesen: Ihre Beteiligung hätte nämlich die notwendige Mehrheit von 160 auf 161 Stimmen erhöht.

Den Ausschlag gaben vielmehr zwei der sieben Senatoren auf Lebenszeit, deren Zustimmung fest einkalkuliert war, die sich aber der Stimme enthielten: Giulio Andreotti (88) und Sergio Pininfarina (80). Ihr Verhalten hat sogleich Verschwörungstheorien aufkommen lassen: Ferngesteuert vom Vatikan beziehungsweise den USA hätten sie den Sturz der Regierung herbeiführen sollen, um die drohende Einführung eingetragener gleichgeschlechtlicher Partnerschaften zu verhindern und den "antiamerikanischen" Kurs der italienischen Außenpolitik zu korrigieren. Indes spricht alles dafür, dass Andreotti und Pininfarina aus freien Stücken und eigenem Kalkül gehandelt haben.

Die Winkelzüge der beiden alten Männer sollten allerdings nicht davon abhalten, sich mit den beiden kommunistischen "Abweichlern" zu beschäftigen. Anders als fünf weitere linke Senatoren, die den Afghanistan-Einsatz ebenfalls ablehnen, sich aber der Koalitionsdisziplin unterwarfen, wollten sie mit ihrer Nicht-Teilnahme ein Zeichen setzen.

Während RC-Sekretär Franco Giordano den beiden daraufhin "politischen Autismus" vorwarf, wurde die graue Eminenz der unabhängigen Linken, der mittlerweile 91-jährige Pietro Ingrao (früher PCI, heute parteilos), noch deutlicher: Turigliatto und Rossi hätten Berlusconi und den Rechten einen Sieg geschenkt. Wie Ingrao sieht es offenbar auch eine Mehrheit der Rifondazione-Mitglieder und der Antikriegs-Bewegung: Man demonstriert zwar leidenschaftlich gegen die italienische Kriegsbeteiligung oder - wie zuletzt am 17. Februar - gegen den Ausbau der US-Militärbasis in Vicenza, will aber zugleich die Mitte-Links-Regierung nicht in ernsthafte Schwierigkeiten bringen.

Das paradoxe Ergebnis all dieser Turbulenzen könnte freilich in einer Stärkung der Mitte-Links-Regierung bestehen, zumindest vorläufig: Denn alle Koalitionspartner haben Prodis "nicht verhandelbares" Zwölf-Punkte-Programm geschluckt. Darin enthalten ist nicht nur das Bekenntnis zur NATO und zu Italiens "internationalen Verpflichtungen", sondern auch die Ermächtigung des Premiers, bei Meinungsverschiedenheiten in der Koalition allein die Entscheidung zu treffen. Hinzu kommt die Suche nach neuen Partnern unter abtrünnigen Gefolgsleuten Berlusconis. Wenn es Romano Prodi gelingt, die Koalition nach rechts auszudehnen, dürfte der ohnehin begrenzte Einfluss von Kommunisten und Grünen noch weiter rückläufig sein. Ob das zu einer Beruhigung führt, wird sich zeigen - die in der christdemokratischen Partei geschulten Politiker der Mitte sind bekanntlich im parlamentarischen Ränkespiel - handfeste Erpressungen eingeschlossen - sehr viel versierter als ihre Kollegen der Linken.


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