Ilse Aigner strahlt. Kein Wunder, immerhin erwartet sie ein Heimspiel. Der Deutsche Brauer-Bund hat geladen, um die Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz als „Botschafterin des Bieres“ 2009 auszuzeichnen. Solche Termine nimmt sie gern wahr. Schließlich verspricht der Abend gesellig zu werden – und sicher nicht allzu kritisch.
Überhaupt: Die guten Tage der Ilse Aigner nehmen zu. Seit mehr als sechs Monaten ist sie nun schon Mitglied des Bundeskabinetts – doch die ersten fünfeinhalb davon hatte das kaum jemand bemerkt. Aigner fiel einfach nicht auf, blieb immer im Schatten ihres Amtsvorgängers Horst Seehofer, der sich jetzt als bayerischer Ministerpräsident und CSU-Chef für alles zuständig f
;ndig fühlt. Anders als das neuste Kabinettsmitglied, der Polit-Strahler Karl-Theodor zu Guttenberg, fand Aigner bislang kein Mittel, um sich von München zu emanzipieren. Erst als sie letzte Woche die genmanipulierte Maissorte MON 810 aus Deutschland verbannte und sich damit gegen Forschungsministerin Annette Schavan (CDU) durchsetzte, wurde sie der breiten Öffentlichkeit bekannt.Ihr Vorstoß wurde von der Bevölkerung zwar begrüßt, aber auch kritisch diskutiert. Zuspruch bekam Aigner zwar auch aus der CSU, doch die Partei wirkt derzeit eher nicht wie ein Ort, an dem man Kraft tanken könnte. In der Partei beschäftigt man sich zurzeit vor allem mit der absurden Diskussion, ob eine Ministerin wie Christine Haderthauer tragbar sei, die kürzlich bekannte, dass sie Franz-Josef Strauß nicht als ihr politisches Vorbild ansieht. Parteichef Seehofer war das sogar einen Ordnungsruf wert. Darüber schütteln sie in Berlin nur die Köpfe: „Dafür interessiert sich doch kein Mensch“, sagt ein langjähriger CSU-Abgeordneter.In der bayerischen Landesvertretung wirkt das alles sehr weit weg. Aigner schlängelt sich durch die anwesenden Gäste, Politiker und Journalisten zu den Plätzen für die Ehrengäste. Sie herzt hier und da einen Funktionär und posiert brav für Fotos mit Peter Ramsauer, dem Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag. Und auch auf das erste Bier des Abends muss Aigner nicht lange warten. Denn darum soll es ja schließlich gehen.Seit 2002 verleiht der Brauer-Bund jährlich den Titel „Botschafter des Bieres“. Der erste Titelträger war Manuel Andrack, ehemals Redaktionsleiter der Harald Schmidt Show. Er verdiente sich die Auszeichnung, weil er zur Unterstützung der deutschen Brauereien jeden Abend in der Show ein anderes Bier trank. Bei den Anhängern der Show genoss die öffentliche Sauferei bald Kultstatus – das wollte die Brauerlobby scheinbar nutzen. In den letzten Jahren hingegen ist der Preis zunehmend politischer geworden. Vor zwei Jahren war ausgerechnet Horst Seehofer Bierbotschafter, 2008 übernahm Außenminister Frank-Walter Steinmeier das Amt.Besonders in Bayern hat die Brauerlobby einen kaum zu überschätzenden Einfluss. Jede zweite der über 1.300 deutschen Brauereien steht in Bayern. Sätze wie „Bier ist Deutschland“ werden vom Brauer-Bund ganz ohne Ironie vorgetragen. Da ist es für eine bayerische Spitzenpolitikerin selbstverständlich geboten, die Veranstaltung ernst zu nehmen.Amtsvorgänger Steinmeier sieht seinen Auftritt hingegen locker. Er hält die Laudatio auf Aigner – und kann sich einige Seitenhiebe nicht verkneifen. Seine Nachfolgerin werde sicher nicht zulassen, dass Spuren von Genmais, Genkartoffeln oder Genhopfen ins Bier kommen, so der SPD-Kanzlerkandidat. Denn wenn sie es täte, beschwöre sie den „Zorn des CSU-Chefs“. Und das wolle er ihr „sicher nicht wünschen“. Aigner erträgt die kleine Demütigung, denn hier hat sie Hausrecht. Das Publikum ist schließlich überwiegend CSU-nah. Und so läuft Steinmeier auch mit seiner nächsten Pointe ins Leere: Die Ämterrückeroberung der Christsozialen laufe scheinbar auf Hochtouren: „Den Botschafter des Bieres habt ihr jetzt wieder – dann reicht’s aber auch“, ruft er grinsend in den Saal – und erntet sehr lautes Schweigen.Die Stimmung hellt sich auf, als Aigner schließlich ans Podium tritt. Brav bedankt sie sich für die Auszeichnung – doch wer nun ein Strauß’sches Bierzeltfeuerwerk erwartet, wird enttäuscht. Eilig spult Aigner ihre kurze Rede herunter, zitiert Benjamin Franklin und Wilhelm II. – beides nicht gerade bayerische Ikonen. Schon kurz nachdem sie angesetzt hat, wendet sich das Publikum von ihr ab. Gespräche brechen los, Aigners Stimme geht in dem Gemurmel fast unter.Stunden später, als Steinmeier schon längst nicht mehr in der bayerischen Landesvertretung weilt, schlendert Aigner immer noch durch den vielleicht noch halbvollen Saal. Das Pflichtprogramm hat sie längst hinter sich – trotzdem stellt sie sich noch zu kleineren Grüppchen an die mit weißer Tischdecke überzogenen Stehtisch. Ans Gehen scheint sie nicht zu denken. Vielleicht genießt sie die heimatliche Atmosphäre hier im bayerischen Saal, vielleicht hat sie noch Termine.Oder vielleicht braucht auch eine Bundesministerin manchmal einfach nur eine Pause.