Prost, Caipirinha

Umweltrassismus in Bio-Qualität Ypioca-Cachaça bedroht Indianer-Lagune

Fast jeder Barkeeper kennt den Cachaça von Ypioca: Mit 4.000 Hektar Anbaufläche ist Brasilien größter Produzent und Exporteur von Zuckerrohrschnaps, Basis des Mode-Cocktails Caipirinha. Auf seiner Website präsentiert sich das Unternehmen selbst als Umweltschützer, weil es nicht die gesamten Flächen in seinem Einflussbereich in eine Zuckerrohrmonokultur verwandelt und 40 Hektar an der Lagune von Encantada als Regenwaldschutzgebiet ausgewiesen hat. Doch tatsächlich sei das Gegenteil der Fall, kritisiert der Wissenschaftler Jeovah Meireles von der staatlichen Universität Ceará. Ypioca plündere und verschmutze die Wasserressourcen der dort heimischen Indianer und sei dabei, das Ökosystem der Lagune zu zerstören.

Während des 1. brasilianischen Seminars über Umweltrassismus berichtete Jeovah Meireles vergangenen November in Rio de Janeiro erstmals, wie es wirklich um den Cachaça-Giganten bestellt ist. Ununterbrochen pumpe Ypioca Wasser aus der Lagune für die Alkoholproduktion von rund 80 Millionen Liter jährlich und um seine Monokulturen zu bewässern. Gleichzeitig verseuche das Unternehmen, das außerdem noch umweltschädliche PVC- Flaschen für sein aufblühendes Mineralwassergeschäft herstellt, die Wasserressourcen der in der Lagune heimischen Jenipapo- und Kanindé-Indianer mit seinen Abwässern. "Wir arbeiten schon seit über vier Jahren mit den Jenipapo-Kanindé eng zusammen", berichtet Meireles. "Die Lagune ist ihre ökologische und kulturelle Basis." Die Ausplünderung der Wasserressourcen durch Ypioca bedrohe das physische und kulturelle Überleben dieses Indianervolkes, weshalb die Ureinwohner bereits gegen das Unternehmen geklagt haben. Dennoch scheute der brasilianische Demeter-Verband, das Instituto Biodinamico (IBD), nicht davor zurück, Ypioca-Cachaça mit einem Bio-Label zu adeln, weil die Firma einen kleinen Teil ihres Zuckerrohrs, rund zehn Prozent, auch nach Bio-Regeln anbaue.

Mitte Dezember 2006, nachdem erstmals öffentlich über die Bedrohung der Lagune berichtet wurde, entzog IBD dem Cachaça-Produzenten das Bio-Siegel wieder. Ypioca habe das Siegel "aus technischen Gründen" verloren, so die Auskunft der brasilianischen Biozertifizierer. Das Institut werde den Alkoholproduzenten nun einer strengeren Prüfung unterziehen und auch das Problem der Lagune und seiner indianischen Bevölkerung miteinbeziehen.

Nichtsdestoweniger tragen noch weitere Großgrundbesitzer und lateinamerikanische Konzerne das Bio-Siegel des brasilianischen Demeter-Ablegers. So auch Lateinamerikas größter Palmöl-Produzent und Brasiliens Vorreiter im Biodiesel- oder "Palmdiesel"-Geschäft, die Gruppe Agropalma. Vergangenen Oktober durfte sich der Konzern deshalb auf der Biofach América Latina in São Paulo als "ökologisch korrektes" Unternehmen präsentieren. Nach eigenen Angaben besitzt der Konzern derzeit 105.000 Hektar Land im Amazonasgebiet des brasilianischen Bundesstaates Para. Bereits auf 34.000 Hektar baut er seine Ölpalmen - eine aus Westafrika stammende Pflanze - an; auf weiteren 5.000 Hektaren in Para lässt er sie von "Kleinbauern" kultivieren. Der Konzern liefert damit rund 80 Prozent der gesamten Palmölproduktion Brasiliens.

Doch "Plantagen zur Palmölgewinnung sind Garanten für Waldzerstörung, Landkonflikte, Hunger und Wassermangel", klagt schon seit vielen Jahren die deutsche Umweltschutzorganisation "Rettet den Regenwald". Statt Palmöl durch ein Zertifizierungssystem ein grünes Mäntelchen umzuhängen, sollte die industrielle Energiegewinnung aus tropischen Pflanzen eher verboten werden.

Auch Carlos Alberto de Castro, Repräsentant von rund 15.000 in Kooperativen organisierten brasilianischen Kleinbauern, sieht in Biodiesel aus Palmöl oder Soja eine der größten Gefahren Amazoniens. Der allgemeine Bio-Boom, kritisiert Alberto de Castro, gehe derzeit an Kleinbauern und an den wirklich nachhaltigen Produzenten in Brasilien vorbei, vor allem wegen der hohen Zertifizierungsgebühren durch eines der internationalen Zertifizierungsunternehmen oder einen Bio-Anbauverband: "Eine Zertifizierung kostet heute im Schnitt 10.000 Reais (rund 3.500 Euro). Doch wie können sich das Kleinbauernfamilien leisten, die gerade mal ein paar Gläser Marmelade pro Woche zum Verkauf herstellen?" Deshalb wolle seine Kleinbauernvereinigung in den nächsten Jahren ein eigenes "Öko-Siegel" mit einem eigenen Zertifizierungssystem auf die Beine stellen.


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