Dann stirbt der Homo sapiens eben aus – auch cool

Klimawandel Deutschland hat seine Klimaziele erneut verfehlt. Die Treibhausemissionen sind sogar gestiegen. Solange wir uns mit unserem Untergang als Gattung abfinden können, ist das in Ordnung so
Ausgabe 16/2022
Schädel verschiedener Menschheitsgattungen: „Wir sind, was wir sind, weil wir es geschafft haben, uns über Jahrtausende hinweg an langsame Klimaveränderungen anzupassen“
Schädel verschiedener Menschheitsgattungen: „Wir sind, was wir sind, weil wir es geschafft haben, uns über Jahrtausende hinweg an langsame Klimaveränderungen anzupassen“

Foto: UIG/IMAGO

Es ist amtlich: Deutschland hat sein Klimaziel zum zweiten Mal in Folge verfehlt. Statt abzunehmen, nahmen die Treibhausgasemissionen 2021 gegenüber dem Vorjahr sogar um 4,5 Prozent zu. Das ist nicht nur ein bisschen mehr, nein, das ist historisch viel mehr: Es ist die größte prozentuale Zunahme der Treibhausgasemissionen seit 1990, wie der Klimarat in seinem vor Kurzem veröffentlichten Prüfbericht feststellte.

Das ist ganz generell beschämend, insbesondere in einem Jahr, in dem die Gesellschaft für deutsche Sprache die Aussage „fünf nach zwölf“ auf Platz zehn der Wörter des Jahres wählte als einen „beliebt gewordenen Ausdruck für besonders starken Aktionsbedarf in der Klimapolitik (…) oder auch in anderen Zusammenhängen“. Ja, Klimafatalismus ist so richtig en vogue! Da ist es ein ziemliches Scheißgefühl, weiterhin ungebremst, ja sogar mit erhöhter Geschwindigkeit, auf eine Klimaerwärmung zuzurasen, die unser aller Leben sehr ungemütlich machen wird. Vielleicht mag sich der eine oder die andere mit dem Gedanken trösten, dass es klimatische Veränderungen auf der Erde ja schon immer gegeben hat, so schlimm kann es doch nicht sein?

Das ist ja nicht ganz falsch. Die Erde umkreist die Sonne nicht gleichmäßig, sie eiert eher auf einer sich bewegenden Ellipse um sie herum und verändert dabei auch noch ihren eigenen Winkel. Deswegen strahlt die Sonne unterschiedlich stark auf die Erde, also verändert sich das Klima. Welchen Einfluss das auf menschliche Populationen hatte, erforschte nun ein internationales Wissenschaftlerteam. Bislang konnte man dazu nur Vermutungen anstellen, weil es wenige Klimaaufzeichnungen aus den vergangenen paar Hunderttausend Jahren von Orten gibt, an denen Fossilien gefunden wurden.

Längste Klimamodellsimulation aller Zeiten

Aber nun ließen die Forscher den südkoreanischen Supercomputer Aleph über sechs Monate hinweg nonstop laufen, und der errechnete die längste umfassende Klimamodellsimulation aller Zeiten. Das Ergebnis: Klimatische Veränderungen hatten einen großen Einfluss darauf, wo unsere Vorfahren lebten und wer wir heute sind. „Unsere Studie belegt, dass das Klima eine grundlegende Rolle bei der Evolution unserer Gattung Homo gespielt hat. Wir sind, was wir sind, weil wir es geschafft haben, uns über Jahrtausende hinweg an langsame Klimaveränderungen anzupassen“, sagt Axel Timmermann, der Leitautor der Studie.

In einem 13-minütigen Youtube-Video erklärt der Forscher die Hauptfunde, ganz zu Anfang zeigt er unseren Familienbaum. Unten all jene Gattungen, die ausgestorben sind, also etwa Australopithecus oder Paranthropus. Die sind ausgestorben, weil sich das Klima und damit auch das Nahrungsangebot für sie ungünstig verändert hatte. Oben auf dem Familienbaum stehen wir, die es bis hierher geschafft haben: Homo sapiens. Tja, und der Baum sieht da so schön fertig aus mit Krone und allem, aber es ist ja doch recht unwahrscheinlich, dass er nicht weiterwachsen wird. Was ich damit sagen will: Wenn wir jetzt zum ersten Mal in der Erdgeschichte dabei sind, das Klima aktiv zu verändern, dann wird vermutlich etwas sehr Ähnliches passieren wie bei den vorherigen natürlichen Schwankungen. Dann kriegt der Familienbaum einen neuen Ast – ob unser Ast dann noch weiterwächst, sei mal dahingestellt.

Solange wir also damit leben können, dass wir Homo sapiens in der Zukunft ganze Kontinente verlassen müssen oder dass wir eben eventuell bald einfach aussterben und von der nächsten Gattung abgelöst werden, ist das alles gar nicht weiter beunruhigend mit dem Klimawandel – alles cool.

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