Pulver verschossen

US-Haushalt Der kurzlebige Shutdown passt zu der von Misstrauen zersetzten amerikanischen Politik. Wie geht es jetzt weiter?
Ausgabe 04/2018
Geht es nach Trump, haben „Dreamer“ keine rosigen Aussichten
Geht es nach Trump, haben „Dreamer“ keine rosigen Aussichten

Foto: Spencer Platt/Getty Images

Inhaltlich hatten sie recht, doch taktisch war es nicht besonders klug, dass die US-Demokraten im Senat beim Haushalts- und Einwanderungsstreit den „Shutdown“ des Regierungsapparates ohne festen Durchhaltewunsch provozierten. Nach drei Tagen gaben sie auf, ohne einklagbare Zugeständnisse. Aus Angst vor der eigenen Courage? Aus rechten Talkshows war zu hören, die Demokraten würden „die Interessen von Leuten, die illegal hier sind, über die von richtigen Amerikanern“ stellen. Und die Republikaner hielten zusammen. Man kann es Trumps Partei nicht verdenken, dass sie sich jetzt als Sieger wähnt. Die Demokraten seien wieder zu Sinnen gekommen, tweetete der Twitterer und machte sich auf nach Davos zum Treffen mit der verpönten globalen Elite.

Der kurzlebige Shutdown passte zu den von Misstrauen zersetzten Zuständen in der US-Politik. Für den Etatstreit gab es mehrere Gründe – entscheidend war die Einwanderung. Die Demokraten verlangten Garantien für gut 700.000 junge Menschen, die vor Jahren als Kinder ohne Papiere in die USA kamen. Donald Trump hat das Schutzprogramm für diese „Träumer“ von einer besseren Zukunft in den USA im September beendet. Nun drohen Abschiebungen, Menschen werden aus ihrem Leben gerissen.

Der demokratische Versuch, Einwanderung an das Haushaltsgesetz zu binden, hatte Logik. Seit Monaten wird über Einwanderungspolitik gesprochen und über die „wunderschöne Mauer“ an der Grenze zu Mexiko. Ergebnisse gibt es keine, trotz vieler Statements von Trump, er wolle eine „gute Lösung“ für die „Dreamer“ finden. Immerhin hat der US-Präsident soeben angedeutet, dass die Betroffenen "in zehn bis zwölf Jahren" die US-Staatsbürgerschaft erhalten könnten. Mit Donald Trump über dieses Thema zu verhandeln, gleiche dem Umgang mit einem Wackelpudding, klagte der mit dieser Aussage inzwischen häufig zitierte demokratische Mehrheitsführer im Senat, Charles Schumer.

Bei der Einwanderung fühlt man den Graben in der Gesellschaft besonders stark. Trump hatte seinen Wahlkampf einst mit einem rassistischen Angriff auf Migranten aus Mexiko begonnen. Sein zweites Amtsjahr eröffnete er mutmaßlich mit der Beschwerde bei einem Meeting, die USA nähmen zu viele Leute aus „Drecksloch-Staaten“ auf. Um diese Entgleisung zu erklären, reicht der Blick auf die Wählerdemografie: Republikaner sind die weiße Partei. Für Demokraten hingegen ist Einwanderung Teil ihrer modernen Identität und ein Vorgriff auf die Zukunft der USA. Bei den „Dreamern“ verlangen Menschlichkeit und Moral, dass man junge Menschen, die als Kinder gekommen sind, nicht einfach zurückschickt in Länder, die sie gar nicht kennen.

Und jetzt? Der beschlossene „Deal“ reicht nur bis zum 8. Februar. Dann wird der Kongress erneut votieren müssen. Mitch McConnell, republikanischer Mehrheitsführer im Senat, will angeblich ein Gesetz für die „Dreamer“ zur Abstimmung zulassen. So sein Versprechen Anfang der Woche, um die Demokraten zum Nachgeben zu bewegen. Das kann man glauben oder nicht. Unklar bleibt, ob das ebenfalls republikanisch kontrollierte Repräsentantenhaus mitspielt. Mit dem Shutdown können die Demokraten freilich kaum noch einmal drohen. Das Pulver wurde verschossen.

Bei riesigen Frauenmärschen zum ersten Jahrestag der Amtseinführung des Präsidenten sind Hunderttausende in mehr als 300 Städten gegen „Trump und Trumpismus“ auf die Straße gegangen. Diese Energie wird gebraucht, wenn im November Teile des US-Kongresses neu gewählt werden.

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