Putin geht in die Offensive

Gas-Streit Die russische Regierung geht im Streit um den Gas-Transit zum offensiven Krisenmanagement über. In der Ukraine ziehen offenbar die USA im Hintergrund die Fäden

Russland ist nach den Worten von Präsident Medwedjew entschlossen, wegen der Unterbrechung des Gas-Transits gegen die Regierung in Kiew vor internationalen Gerichten zu klagen. Immerhin habe Gazprom seit dem 1. Januar Einnahmeverluste im Export-Geschäft von 1,1 Mrd. Dollar zu verkraften. Dieser Auffassung folgt auch Ministerpräsident Wladimir Putin, der sich inzwischen mit seinen bulgarischen, slowakischen und moldawischen Amtskollegen Sergej Stanischev, Robert Fizo und Sinaida Gretschanaja in Moskau getroffen hat. Deren Länder sind wegen der ausbleibenden Gas-Lieferungen in einen Energienotstand geraten. Putin hatte dabei zu verstehen gegeben, Kiew verletze mit der Behinderung des Gas-Transits eindeutig das zwischen der EU, der Ukraine und Russland zum Wochenbeginn unterschriebene Gas-Transit-Protokoll. Deshalb sollten alle, die möglichst schnell wieder versorgt sein wollten, Druck auf die politische Führung in Kiew ausüben, ihren Verpflichtungen nachzukommen.

Während der Begegnung, die teilweise vom Fernsehkanal NTW übertragen wurde, hatten die drei osteuropäischen Premiers keinen Zweifel gelassen, in welch schwieriger Situation sich ihre Länder befänden. Und das, obwohl alle Rechnungen zu „europäischen Preisen“ an Gazprom bezahlt seien, was im Fall Bulgariens bedeutet, dass 450 Dollar für tausend Kubikmeter aufgebracht werden, 200 Dollar mehr, als die Ukraine zu zahlen hat. Bulgariens Regierungschef Sergej Stanischev: „Europa fühlt sich als Geisel, Hunderttausende leiden real.“ Der slowakische Ministerpräsident Robert Fizo meinte, er sei nicht gekommen, „um sich zu beklagen“ aber die Lage sei krisenhaft „und wenn kein Gas kommt, müssen wir Maßnahmen ergreifen, die wir noch nie ergriffen haben.“ Woran dabei gedacht sein könnte, ließ er offen. Fizo war kurz zuvor in Kiew mit der ukrainischen Ministerpräsidentin Timoschenko zusammengetroffen und hatte dort erklärt, sein Land habe nur noch Gas für zwölf Tage. Nach der Begegnung sagte er: „Ich habe Frau Timoschenko heute gesagt, dass die Ukraine das Vertrauen der europäischen Partner verliert, weil sie sich so verhält.“

Auch Wladimir Putin hatte erklärt, dass die europäischen Ländern „Geiseln des Streits zwischen Russlands und der Ukraine geworden sind“. Aber der Streit sei wegen des Gas-Preises für den ukrainischen Verbrauch entstanden. Kein Transit-Land habe das Recht, seine Transit-Lage auszunutzen, „um damit zu spekulieren und die Verbraucher in Europa als Geisel zu nehmen“. Putin betonte, der Vertrag, der nun den Gas-Transit regelt, habe eine Laufzeit bis 2013. In Kiew bat der Chef des ukrainischen Unternehmens Naftogas, Oleg Dubina, Gazprom auf einer Pressekonferenz, um die Lieferung von „technischem Gas“. Nur so könne man den Gas-Transit abwickeln. Gazprom will das technische Gas – wie von Kiew bisher gefordert – aber nicht umsonst liefern. Auf der Pressekonferenz bettelte Dubina, „wenn sie die Möglichkeit haben, uns Gas zu leihen, leihen sie es uns. Wenn wir uns über den Preis geeinigt haben, werden wir bezahlen.“

In der Ukraine spitzt sich unterdessen der innenpolitische Streit zu. Am Dienstag forderte Viktor Janukowitsch, der Führer der Russland-freundlichen Partei der Regionen, den Rücktritt von Julia Timoschenko und die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens gegen Präsident Viktor Juschtschenko.
Julia Timoschenko ihrerseits nahm indirekt den ukrainischen Präsidenten Viktor Juschtschenko unter Beschuss. Sie beschuldigte die dem Präsidenten nahe stehenden Miteigentümer der Gas-Vermittlungs-Firma RosUkrEnergo, dass sie das Gas aus Russland nicht zur Versorgung der Bevölkerung einsetzen, sondern „auf dem Schwarzmarkt" verkaufen. Die gewonnen Mittel würden für politische Ziele genutzt.

Die Kreml-nahe Zeitung Iswestija berichtete gestern über eine angeblich bereits im Dezember vom ukrainischen Außenminister Wladimir Ogrysko und US-Außenministerin Rice unterschriebenen „Charta über strategische Zusammenarbeit“, nach der sich in Zukunft die USA um die Modernisierung der veralteten ukrainischen Pipelines kümmern wollen. Der stellvertretende Gazprom-Aufsichtsratschef Alexander Medwedjew erklärte, „es entsteht der Eindruck, dass das Musical, welches in der Ukraine aufgeführt wird, aus einem ganz anderen Land dirigiert wird.“ Die Iswestija spekulierte, möglicherweise hänge der „Mut“ der Ukraine in der laufenden Konfrontation mit dem unterschriebenen Dokument zusammen.


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