Putin und das Pankisi-Tal

Kommentar Amerikanisch-russischer Radikalpragmatismus

Gerade sollte die Feinarbeit an der neuen amerikanisch-russischen Partnerschaft beginnen - da setzt Wladimir Putin wieder einmal einen groben Keil und will den amerikanischen Anti-Terror-Krieg um seinen russischen Anti-Terror-Krieg vervollständigen. Was Amerika die islamistische al Qaida, ist Russland die islamistische Guerilla im Kaukasus, besonders in Tschetschenien. Oder anders formuliert: Wer den großen Angriff auf den Irak vorbereitet, sollte bei einer begrenzten russischen Intervention im georgischen Pankisi-Tal nicht kleinlich sein. An einer solchen Lesart des russisch-amerikanischen Radikalpragmatismus mag Präsident Putin besonders schätzen, dass sie nie ausgesprochen werden muss, weil sie sich von selbst versteht. In das sub-imperiale Moskauer Denken übertragen, heißt die Botschaft an George W. Bush in Sachen Georgien: Staatschef Schewardnadse muss eine Lektion erteilt werden ob seiner Toleranz (oder Ohnmacht) gegenüber den tschetschenischen Freischärlern im Pankisi-Tal. Russlands verbliebene Stärke - sprich seine Armee - will dort georgische Schwäche kompensieren. Subtext: Moskau liebt es nicht, wenn die Regierung in Tiflis die kaukasische Karte zieht. Georgien liegt nur zwei Flugstunden südlich der russischen Hauptstadt in einer Region, in der Hunderte von Völkern leben, die heute - je nach politischer Konjunktur - davon träumen, sich von russischem Einfluss zu befreien. Außerdem fließt inzwischen aserbaidschanisches Öl über eine georgische Pipeline nach Westen - ohne Transit durch Russland. Von den Einnahmen erhofft sich Georgien eine schrittweise Emanzipation von Moskau, das gern am Erdgas-Hahn dreht, sobald Tiflis wegen nationaler Eigenmächtigkeiten zur Räson gebracht werden soll. Dass unter derartigen Umständen in Georgien die Sehnsucht wächst, sich dieses rigiden Patronats zu entledigen, steht außer Frage. Schewardnadse operiert immer häufiger mit dem Wunsch, NATO- und EU-Mitglied zu werden. Bisher eine Utopie, doch seit Washington das postsowjetische Eurasien als Hinterland seines Anti-Terror-Feldzuges entdeckt und Stützpunkte in Kasachstan, Usbekistan und Tadschikistan eingerichtet hat, darf sich auch Georgien strategisch aufgewertet fühlen. US-Ausbilder kümmern sich um die Armee Schewardnadse, deren Modernisierung scheint beschlossene Sache.

Russland könnte also in den asiatischen GUS-Staaten an die USA verlieren, was es im "Anti-Terror-Krieg" gegen den kaukasischen Separatismus dank amerikanischer Rückendeckung gewinn. Putins Drohungen gegenüber Schewardnadse dürfen insofern auch als Warnungen an Bush verstanden werden, Russland nicht dort zu verdrängen, wo es essentielle Interessen hat. Die waren schließlich ausschlaggebend, den Amerikanern in Sachen Anti-Terror so ergeben zu folgen, wie das bisher geschehen ist.

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