Quälen als Spassfaktor

Kommentar Drei Fälle jugendlicher Gewalt

Der Täter beim ersten Fall ist ein 20-jähriger, unauffälliger, ja freundlicher junger Mann. Berufswunsch: Berufskiller. Empfehlung: zwei Morde an alten Damen. Beim zweiten Fall stehen fünf Freunde vor Gericht, der jüngste 16, sie sollen einen Nachbarn gequält haben, bis er starb. Motiv: Ein bisschen Geld für mehr Schnaps. Viel konnten sie nicht vermuten, sie kannten das schmale Budget des Sozialhilfeempfängers. Dritter Fall: Eine halbe Berufsschulklasse ist angeklagt, einen Mitschüler misshandelt und sexuell gedemütigt zu haben, zur Gaudi eines amüsierten Internetpublikums, dem sie die aufgezeichneten Perversitäten akribisch vorführten.

Das ist die Liste der vergangenen vierzehn Tage. Sie macht Angst. Dabei hat Kriminalität, entgegen allgemeiner Annahme, nicht zugenommen. Jugendkriminalität auch nicht. Die Wahrnehmung und Vermarktung hat sich geändert. Täter können zuverlässig mit allgemeiner Publizität rechnen. Ein Zustand, den sie mit "normalen" Aktivitäten nie erreichen könnten - Mittelpunkt der Aufmerksamkeit all derer zu sein, die sich um ihre Zukunft sonst keinen Deut scheren.

Die Jugend gibt es nicht, so wenig wie die Älteren. Gleiche Ursachen führen niemals zu gleichen Ergebnissen, da unterscheiden sich Mensch und Physik. Dennoch glauben wir an so etwas wie optimale Entwicklungsmöglichkeiten. An denen aber hapert´s. Perspektiven sind Mangelwaren. Zukunft ist für zu viele junge Leute ein schwarzes Loch. Träume erschöpfen sich in denen nach Vollrausch. Ein gesellschaftliches Missverständnis feiert Triumphe: Es muss erlaubt sein, die eigene Befriedigung um jeden Preis zu erreichen. Die Gesellschaft macht das vor: Geteilt wird nicht. Wer betrügt, nutzt seine Chance, wer nicht betrügt, hat keine. Eine Weisheit, die Ostdeutschen in den Jahren nach der Wende hohnlächelnd beigebracht wurde. Zwischen den Generationen ist mittlerweile, im Osten wie im Westen, so manches kaputt gegangen. Ein Wort wie Erziehung ist verpönt, es gilt als Gängelei, den eigenen Kindern Wertbegriffe zu vermitteln. Und Kinder stören bei der "Selbstverwirklichung", holen wir die demografische Hoffnung doch lieber gleich aus dem Ausland. Die Alten schließlich: Sie nützen nichts, sie kosten.

Die ihren Banknachbarn quälenden Berufsschüler hatten keinerlei Bedenken. Ein amüsantes Spiel, auf das sie so stolz waren: Wir können nicht nur einreißen, was wir gestern gebaut haben, wie im Lehrlingsalltag des Berufsvorbereitungsjahrs üblich, wir können unsere eigene Ekelschau produzieren. Auch die fünf jugendlichen Mörder hatten keine böse Absicht: Quälen als Spaß, man gönnt sich ja sonst nichts. Berufskiller sein - lässt sich damit nicht in jedem besseren Krimi eine Menge Geld machen? Immerhin gibt es einen Lichtblick: Die jugendlichen Quäler haben ihre Strafen - die als hoch gelten, weil für drei von ihnen bis zu anderthalb Jahren ohne Bewährung verhängt wurden - akzeptiert.


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