Quark & Co.

Medientagebuch Wissenschaftsshows und -magazine gibt es schon lang, doch ihr Charakter hat sich verändert. Wissen im Fernsehen macht keinen Spaß mehr.

Erinnern Sie sich noch an Yps mit Gimmick? Für viele Mitte der siebziger Jahre Geborenen war diese Kinderzeitschrift, die es noch heute gibt, die aber schon lange in der Bedeutungslosigkeit versunken ist, die erste Quelle von Erfahrungen, die im heutigen Pädagogensprech „spielerisches Lernen“ heißen. Dank der von Yps als Heftbeilage offerierten Hilfmittel konnte man Wunderbäumchen pflanzen, Krebse züchten oder Raketen bauen. Was die Pädagogin und Bestsellerautorin Donata Elschenbroich später in die Formel vom „Kind als Naturforscher“ fassen sollte, bei Yps war es schon lange vorher Wirklichkeit.

Nur hatte die spielerische Wisssensvermittlung damals noch nicht den aggressiven didaktischen Unterton, der sie heute begleitet. Dass Kinder, wenn etwas aus ihnen werden soll, aufgrund ihrer neurologischen Disposition möglichst schon in den frühen Lebensjahren allerlei „Wissen“ absorbieren müssten, hätte damals kaum jemand behauptet. Das spielerische Lernen blieb in der Hauptsache ein Spiel, das seinen Zweck in sich selbst hatte.

Ähnlich zweckfrei waren die Wissenschaftsmagazine und TV-Wissenschaftsshows, die in den achtziger Jahren wie Pilze aus dem Boden schossen. Ihre vermeintliche Seriosität war nichts als ein für jeden Zuschauer durchschaubares Alibi, um sich zur besten Sendezeit den abwegigsten Gegenständen widmen zu können: In der Knoff-Hoff-Show durften bunte Chemikalien launig zur Explosion gebracht, die übelsten Gerüche verbreitet und sinnfreie Apparate vorgeführt werden, in Terra X wurde man nach Art von Abenteuerromanen in die finsteren Geheimnisse der Inkas und Ägypter eingeweiht, und wem das noch nicht kryptisch genug war, der konnte in der Zeitschrift PM, einer Art populärwissenschaftlichem Fantasy-Magazin, das Innenleben diverser Geheim­gesellschaften kennenlernen oder die Regeln der Graphologie und des fort­geschrittenen Handlesens erlernen.

Das „Wissen“, das dort vermittelt wurde, erschien als riesiger Spielplatz für Kinder und Erwachsene, der es erlaubte, für ein paar Stunden die Mittelmäßigkeit der eigenen Existenz zu vergessen, um in ferne Länder, fremde Zeiten und unbekannte Dimensionen zu schweifen.

Die meisten der damaligen Wissenschaftsshows und -magazine gibt es immer noch, doch ihr Charakter hat sich geändert. Dutzende andere, auf zeitgemäß getrimmte Sendungen sind an ihre Seite getreten und lassen sie alt aussehen: In Quarks Co. vom WDR erklärt der medienpädagogisch versierte Moderator Ranga Yogeshwar den Kleinen, weshalb es gefährlich ist, sich ungesund zu ernähren, warum sie zur „Generation Internet“ gehören oder führt sie auf eine „Zeitreise durch 200 Jahre Schule“. Galileo auf Pro 7 bietet von Aiman Abdallah poppig aufbereitete Wissenshäppchen aus allen Lebensbereichen in jeweils fünf Minuten Länge, und Sendungen wie Abenteuer Erde oder Planet Wissen gaukeln vor, dass der Globus durch seine lückenlose geografische, ökonomische und naturwissenschaftliche Erschließung nur noch geheimnisvoller und interessanter geworden sei.

Ohne didaktischen Überbau kommt keine dieser Sendungen mehr aus, der Appell an den kindlichen Spieltrieb, der sie früher so unterhaltsam machte, setzt sich fast nicht mehr durch. Doch nicht die Rückbesinnung auf den „Bildungsauftrag“ ist an seine Stelle getreten, sondern ein pädagogisch verbrämter Infantilismus, der Kinder nur als kleine Erwachsene und Erwachsene nur als lernbegierige Kinder anspricht. Die kindliche Phantasie wird dadurch ebenso ausgetrieben wie die erwachsene Freude an der Erkenntnis, deren Bedingung sie ist.

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