Jedes Räuspern
Lion Feuchtwangers Roman Erfolg gilt zurecht als getreues Sittengemälde der Münchner 1920er Jahre, diverse Biografien dieser Zeit kreuzen sich darin und bilden seinen Bodensatz. Es beginnt mit einem Meineidprozess gegen den missliebigen Museumsdirektor Krüger, der weniger ihn als seinen modernen Geschmack meint und weniger mit Wahrheitssuche als mit Kungelei zu tun hat. In der Folge bemüht sich Krügers Freundin Johanna Krain um Gerechtigkeit - so lernt man all die Gestalten kennen, die bei der Macht in Bayern ein Wörtchen mitreden wollen: den derben Kultusminister Flaucher, den vorteilsschlauen Justizminister Klenk, den sabbernden Bauernführer Bichler, den eitel dekadenten Erich Bornhaak et cetera.
Vor fast 25 Jahren hat der SWR daraus ein großartiges Stimmenpanorama gezimmert, das nun auf CD greifbar ist: Axel Corti und Walter Andreas Schwarz stehen den Sprechern - darunter Hannelore Elsner, Michael Habeck und Hans Putz - als Erzähler zur Seite, sie greifen vorweg, haken nach, treten beinahe schon in Dialog mit den Figuren. Man ist sehr nahe an den Menschen der Geschichte, kein Seufzer, kein Räuspern ist ohne Bedeutung. Ein gespenstischer Chorgesang, der an die politische Hellsichtigkeit des Feuchtwangerschen Romans erinnert, begleitet die Geschichte, und auch die dokumentarischen Momente von Erfolg fanden Aufnahme in dieses Hörspiel: Eine getreuere Umsetzung kann man sich nicht denken.
Lion Feuchtwanger Erfolg. DAV 2008, 5 CDs, ca. 355 Min., 24,95 EUR
Jeder Peitschenhieb
Die Reise ans Ende der Nacht führte vom Frankreich zu Beginn des 20. Jahrhunderts entlang der Fronten des Ersten Weltkriegs durch Kolonialafrika und den Großstadtdschungel New Yorks zurück nach Frankreich; Ferdinand Bardamu heißt der Reisende und Ich-Erzähler von Louis-Ferdinand Célines grellem wie düsterem Roman über den Ekel an der Welt und ihren Bewohnern. In der Hörspielfassung von Michael Farin wird daraus eine bis ins Detail komponierte Symphonie der Stimmen und Geräusche. Während die Nebenrollen einzeln besetzt sind (etwa mit Jens Harzer, Rainer Bock, Katharina Schubert), teilen sich vier Sprecher (darunter Felix und Florian von Manteuffel) Bardamus Text, gleichsam jeder Satz ist als einzig inszeniert, steht wie ein Monument in dem Raum, der von der Verlorenheit des Subjekts erzählt: Selten illustriert der Klang, stets ist er mehr Leitmotiv als Untermalung oder akustische Koordinate. Jedes Element ein Kunstwerk und eine Aussage für sich, jeder Peitschenhieb, jedes geflüsterte, gelangweilte oder hervorgestoßene Wort, jeder wiederholte Atemzug. So eindringlich tönen die Bruchstücke zusammen, so geistert Bardamu durch Hörers Kopf. Und gibt nicht Ruhe, sondern hallt dort wider, mag die CD auch längst schweigen.
Louis-Ferdinand Céline Reise ans Ende der Nacht. Der Hörverlag, 5 CDs, ca. 263 Min., 29,95 EUR
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