Ratgeber Neurose

Short Story Die Amerikanerin Lydia Davis beobachtet den Alltag meisterhaft. Man fragt sich beim Lesen: Sind wir denn wirklich so überspannt?
Exklusiv für Abonnent:innen | Ausgabe 36/2014

Kürzlich schickte ich einer Freundin in den USA eine dieser typischen Lydia-Davis-Kurzgeschichten: keine erkennbare Handlung, kaum Adjektive, keine hervorstechenden Hauptwörter. Vielmehr: ein innerer Monolog einer Zugreisenden, oft eher Satzfragmente, die Gedankensplittern entsprechen. Das Ganze beginnt so: „Zu Beginn einer Bahnfahrt suchen sich die Leute einen guten Sitzplatz, und manche von ihnen sehen sich die Leute, die in der Nähe bereits ihren Sitzplatz gefunden haben, genau daraufhin an, ob sie gute Sitznachbarn abgeben werden.“

Lydia Davis ist mittlerweile einigermaßen bekannt dafür, dass sie eine eigene Dimension in dem, was in der englischsprachigen Prosa flash literature genannt wird, entwickelt hat: 2009 kamen ihre hymnisch gepriesenen The Co