Rauchverbot

Berliner Abende Kolumne

Vor fünf Jahren habe ich aus einer Laune heraus mit dem Rauchen aufgehört. Sicher ist das löblich und für Gesundheit und Geldbeutel zuträglich, aber ich bin nicht besonders stolz darauf. Manchmal, wenn ich am Computer sitze und nach einem treffenden Synonym suche, fehlt die Zigarette mir sehr. Ich mag den Geruch des Tabaks, vor allem des orientalischen. Ich habe weiterhin Aschenbecher im Haus und immer noch muss ich lachen, wenn sich im Bioladen wieder einer beschwert, dass man dort Zigaretten kaufen kann und der Verkäufer geduldig erklärt: "Wir sind ein Bioladen und keine Apotheke und das sind Biozigaretten, meine Dame." Ich verfalle auch nicht in künstliches Hüsteln, wenn jemand neben mir in der Kneipe eine Zigarette anzündet. Im Gegenteil, Kneipen und Bars sind ja unter anderem zum Zwecke des Rauchens und Trinkens erfunden worden. Wer keinen Spaß daran hat, kann ja in die Sauna gehen oder ins Kindercafé.

Vorboten und Wirkungen des Rauchverbotes konnte man ja schon im letzten Jahr ausmachen. Erst hatten sie auf den Toiletten der ICEs diese lächerlichen Explosionssymbole angebracht und gelbumrandete Raucherghettos auf den Bahnsteigen eingerichtet. Noch besser aber waren die vorauseilenden Denunzianten, die gar nicht abwarten konnten zuzuschlagen. Als sich eine Freundin im Dezember in einem Café in der Kollwitzstraße eine Zigarette anzündete, schrie eine Mutter am Nebentisch sie an: "Mach die Zigarette aus, du Fotze." Soviel zur neuen Bürgerlichkeit.

Kaum war Silvester vorbei, sind Journalisten diverser Blättchen durch Mitte und Prenzlauer Berg gelaufen, um die Einhaltung der Raucherverordnung schreibend zu begleiten. Und natürlich fanden sie hellauf begeisterte Elternpaare, die ihre Säuglinge am rauchfreien Tresen fütterten. Heißt das jetzt im Umkehrschluss, dass Trinker im Kindergarten Mittagessen gehen können?

Sicher ist Rauchen gesundheitsschädlich, genauso wie Kuchen oder Currywurst. Wenn die Leute nicht am Nikotin sterben, dann eben an Diabetes. Und wahrscheinlich ärgert mich vor allem, dass die Erziehungsdiktatur fröhliche Urständ feiert.

Der Staat kriecht in jede Ritze, in unsere Telefone und Computer, in Taxis und Züge und jetzt schnüffelt er auch in den Kneipen herum. Mein Reflex auf Diktatur ist seit jeher, genau das Gegenteil zu machen. Aber soll ich deshalb wieder anfangen zu rauchen? Ich denke nicht daran. Trotzdem stehe ich aus Solidarität wieder in Raucherecken, boykottiere Kneipen, die in vorauseilendem Gehorsam das Rauchen auch in abgeschlossenen Nebenräumen verbieten und verziehe mich nachts in Etablissements, wo die Aschenbecher nach wie vor auf den Tischen stehen. Aber schon ertappe ich mich, den Mann, der draußen steht und verstohlen durch die Scheibe lugt, für einen Denunzianten zu halten, der nachts um drei das Petzformular einer Nichtraucherschutzorganisation mit Tatort, Tatzeit und Vergehen ausfüllt. Auf deren Website befindet sich der schöne Satz: "Die Gesetzesbrecher fügen dem Gedanken des Gesundheitsschutzes und ihrer anständigen Konkurrenz aus egoistischen Motiven heraus Schaden zu." Ob Jugendkriminalität oder Jugendschutz: Anstand und gesundes Volksempfinden haben wieder Konjunktur.

Aus Solidarität mit den Rauchern hat am Sonntag der Gullydeckel in der Esmarchstraße zu qualmen angefangen. Leider nur einen Tag. Montag kam der Notdienst der Wasserwerke und hat dem Treiben ein Ende gemacht. Wie schade. Berlin sah für einen kurzen Moment aus wie eine Weltstadt.

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