Raumpflege

Wahljahr 2009 Der DGB auf Äquidistanz

Als der Vorsitzende des DGB unlängst nach dem Verhältnis zwischen den Parteien und dem gewerkschaftlichen Dachverband gefragt wurde, antwortete Michael Sommer, er könne sich "momentan nicht vor Bündnispartnern retten". Von der CDU-Kanzlerin höre er derzeit "nur zustimmende Töne", auch gebe es "Arbeitskreise und Gespräche mit der FDP, mit den Grünen und der Linken", sagte Sommer. "Es ist schon erstaunlich."

Absichtlich hat der DGB-Chef die Sozialdemokraten in seiner Aufzählung sicher nicht weggelassen. Zwar gab es für Berichte, nach denen zwischen der SPD-Spitze und den Gewerkschaften eine enge Kooperation im Wahljahr vereinbart worden sei, keine Bestätigung. Nach langem Agenda-Frost ist zwischen Sozialdemokraten und DGB jedoch das Eis wieder merklich getaut. Ein Treffen zwischen Sommer und Franz Müntefering dauerte Anfang November doppelt so lange wie geplant - und das offenbar nicht wegen irgendwelcher Kontroversen. Es sei "eine ganz entspannte Situation" gewesen, ließ sich danach der neue alte SPD-Chef zitieren.

Von einem heimlichen Bündnis, nach denen die Gewerkschaften eigene Vorschläge in sozialdemokratische Wahlprogramm einbringen dürften, im Gegenzug der DGB im Wahlkampf mehr Unterstützung bieten solle als in den vergangenen Jahren, will aber niemand etwas wissen. "Diesen Pakt", so Sommer, "gibt es nicht." Nach der Vorstellung des DGB-Vorsitzenden hat der Dachverband auch gar nicht den Auftrag, "die eine Partei zu pflegen, die andere Partei zu pflegen" - man ziele nicht auf politische Macht, sondern darauf, im politischen Raum "so weit wie möglich Arbeitnehmerinteressen zu artikulieren und durchzusetzen".

Während die Gewerkschaften hoffen, dass sich Parteien ihre Forderungen zu eigen machen, schauen diese auch auf die Mitglieder der DGB-Organisationen - immerhin etwas mehr als sechs Millionen potenzielle Wähler im kommenden Herbst. Vor allem die SPD hat in dieser Gruppe zuletzt viel Boden verloren. Die verbreitete Kritik an der Sozialpolitik der rot-grünen Regierung ließ vielen die Linkspartei als bessere Alternative erscheinen. Die punktete in den vergangenen Jahren mit einer Politik, die den gewerkschaftlichen Forderungen am ehesten entsprachen - in der Lohnfrage, der Renten- und Wirtschaftspolitik. Zahlreiche Funktionäre aus den Reihen des DGB wurden Mitglied bei der Linken und spielen dort inzwischen eine maßgebliche Rolle.

Während Verdi und die IG Metall sich gegenüber der Linken eher offen zeigen, steht die drittgrößte DGB-Gewerkschaft, die IG BCE, der Partei eher ablehnend gegenüber. Im hessischen Neuwahlkampf wurde unlängst ein Aufruf bekannt, in dem gestandene Betriebsräte und Hauptamtliche aus der Chemiegewerkschaft der Linkspartei ein Scheitern an der Fünfprozenthürde wünschen. Deren Forderungen seien "ein sozialistischer Wunschkatalog", der bei Umsetzung "die hessische Wirtschaft zusammenbrechen" ließe.

So weit würde Michael Sommer nicht gehen. Wenn der DGB-Chef zur Linkspartei befragt wird, lässt sich aus seinen Antworten aber auch eine gewisse Skepsis herauslesen. Man werde schauen, wo es "tatsächliche Schnittmengen" gibt, und beobachten, wie ernsthaft der Gestaltungsanspruch der Linken ist. Wenn diese nur "Politik für die Galerie machen oder noch mehr fordern als andere" wolle, springt Sommers Logik zufolge zu wenig "für das kleine Glück" heraus. Das war in den Zeiten von Rot-Grün und der großen Koalition allerdings kaum anders.

Und so wird der Dachverband "weder Wahl- noch Koalitionsempfehlungen abgeben", wie noch 1998, und sich die Bündnisfrage offen halten. Die Bundesrepublik habe heute "ein etabliertes Fünfparteiensystem", sagt Sommer und das lasse "viele Möglichkeiten zu, die große Koalition ebenso wie eine Dreierkonstellation - und von denen gibt es mehr als eine".

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