Zu guter Letzt will Donald Trump noch schnell die US-Truppen in Afghanistan signifikant reduzieren. Bis zum 15. Januar sollen 2.000 Soldaten abziehen, sodass ein Restkontingent von lediglich 2.500 verbliebe. Das gehört sich zwar nicht für einen abgewählten Präsidenten, aber den stört das nicht.
Auch der Umstand, dass es noch keine Übereinkunft zwischen Kabul und den Taliban gibt, ist für ihn kein Hindernis. Die Entscheidung hat sowohl in den USA als auch in der NATO für Entsetzen gesorgt. Ohne die besonderen Fähigkeiten der Amerikaner wäre der ganze NATO-Einsatz nicht mehr tragbar. Immerhin sind noch 12.000 NATO-Soldaten im Land. Deutschland müsste sich schleunigst darum kümmern, seine 4.500 Einsatzkräfte heimzuholen.
Drei Gründe erklären, was Trump will. Erstens erfüllt er damit sein Wahlversprechen. Der Truppenabbau in Afghanistan (und im Irak) läuft seit einiger Zeit. Letzter großer Schritt war die Reduzierung am Hindukusch von 9.000 auf 4.500 Soldaten. Bereits Barack Obama hatte vergeblich versucht, die Kriege in Afghanistan und im Irak zu beenden. Die Hinhaltetaktik der Interventionsbefürworter, besonders aus dem Sicherheitsapparat und Kongress, sowie eigene Unentschlossenheit verhinderten das Vorhaben. Trump wird nun ebenfalls den von ihm bereits 2011 geforderten völligen Abzug nicht schaffen, sich dem jedoch annähern. Zweitens entspricht sein Entschluss der militärstrategischen Umorientierung der USA. Nicht der Kampf gegen den Terrorismus und gegen Aufständische oder gar Stabilisierungsoperationen stehen im Vordergrund, sondern die Konkurrenz mit anderen Großmächten, besonders mit China. Laut Verteidigungsstrategie von 2018 sind sowohl der globale Führungsanspruch der USA als auch ihre militärische Überlegenheit bedroht. Man brauche daher eine Armee, „die tödlicher, widerstandsfähiger und innovationsfreudiger“ ist.
Drittens will Trump das Land aus Kriegen herausziehen, die kein Ende finden und enorme Risiken bergen. Der fast 20 Jahre dauernde Afghanistankrieg ist der längste in der US-Geschichte. Er kostete bislang 3.600 US-Soldaten das Leben, mehr als 20.000 wurden verwundet. Die Gesamtzahl aller Opfer liegt über 150.000, was Trump weniger interessieren dürfte. Die Kosten für das US-Engagement allein in Afghanistan beliefen sich von 2001 bis Ende 2019 auf satte zwei Billionen Dollar. Mit welchem Erfolg? Keine gute Regierungsführung in Kabul, unzuverlässige Sicherheitskräfte, widerstandsfähige Taliban, neue Terrorfilialen von al-Qaida und IS.
Die Kritiker von Trumps Entscheidung fragen zu Recht: Was wird aus Afghanistan? Werden die Taliban die Macht übernehmen? Die ehrliche Antwort ist: Das kann keiner wissen. Natürlich sollte die internationale Gemeinschaft politisch engagiert bleiben. Nicht zuletzt die Nachbarn China, Russland, Iran, Pakistan und Indien sind gefragt. Zur Wahrheit gehört auch, dass 20 Jahre der Intervention den Konflikt nicht lösen konnten.
Gewalt als Norm
In der US-amerikanischen „Strategic Community“ – und nicht nur dort – existiert eine Denkschule, die davon ausgeht, dass es angesichts der heutigen Art der Kriegführung nicht mehr möglich ist, klar zwischen Krieg und Frieden zu unterscheiden. Demnach sind künftig internationale Konflikte und die Anwendung von Gewalt die Norm, nicht der Frieden. Darum müsste man Regeln aufstellen, die dieser Herausforderung angemessen seien.
Auch die Bundesregierung geht von einer Verwischung der Grenzen zwischen Krieg und Frieden durch „hybride Kriegführung“ aus. Das Problem dieser Sichtweise ist allerdings, dass wir uns dann in einem permanenten Konflikt- oder Kriegszustand wähnen müssten, der mal kalt und mal heiß ist. Und das in einer Zeit, in der globale Bedrohungen durch Pandemien, Klimawandel und atomares Wettrüsten unserer vollen Aufmerksamkeit bedürfen.
Trump hat sicherlich in vielem unrecht. Dazu zählt der von ihm forcierte Ansatz „Frieden durch Stärke“, der nichts anderes heißt als „Frieden durch Überlegenheit“. Doch seine Entscheidung, nicht enden wollende Militäreinsätze wie den in Afghanistan abzuschließen, ist richtig. Die deutsche Regierung sollte ihm folgen.
Kommentare 15
das ist auch ein plädoyer für einen taliban-/war-lords-regierten
gottes-staat.
oda?
"Es ist ein großer Vorzug, die Unmöglichkeit eines Vorhabens einsehen zu können.", schrieb ein Russe vor 150 Jahren in seinem Buch "Was tun?". Es war nicht Lenin.
Die Strategie des Demokratieexports ist, wenn sie überhaupt jemals ernst gemeint war, überall auf der Welt gescheitert. Das hätte man mühelos vom Scheitern der kommunistischen Idee des Revolutionsexports lernen können.
ist es ein erzwungener import aus der "dubiosen westlichen werte-gemeinschaft",
wenn sich menschen-/ frauen-rechte, das recht auf bildung: geltend machen?
die "modernisierungen" des schah im iran, der regierungen in afghanistan
waren in vielem traditions-fremd und volks-fern.
muß man deshalb jedes menschen-rechts-streben drangeben
und eine mullah-herrschaft unterstützen?
>>...das ist auch ein plädoyer für einen taliban-/war-lords-regierten
gottes-staat.<<
Das Taliban-Regime wurde von der "westlichen Wertegemeinschaft" bis 2001 als "Ordnungsfaktor" hofiert.
Und 30 Jahre zuvor die islamistischen Mudschahedin als "Freiheitskämpfer gegen das gottlose Regime zu Kabul" bejubelt und mit Waffen beliefert. Menschenrechte sind stets strategischen Zielen untergeordnet, dazu sollten bitte keine Illusionen verbreitet werden.
"ist es ein erzwungener import aus der "dubiosen westlichen werte-gemeinschaft",
wenn sich menschen-/ frauen-rechte, das recht auf bildung: geltend machen?"
Sie bemerken schon den Unterschied zwischen dem von Ihnen hier Geschriebenen und der Kriegsführung durch ausländische Mächte, die seit Jahrzehnten nur unsägliche Opfer fordert und keinen Erfolg bringt? Es sind inzwischen 2 Generationen, die ihr Land nicht in Friedenszeiten erlebt haben. Wofür?
Ich finde, Sie leisten sich ein paar Unsauberkeiten.
»Bis zum 15. Januar sollen 2.000 Soldaten abziehen, sodass ein Restkontingent von lediglich 2.500 verbliebe. Das gehört sich zwar nicht für einen abgewählten Präsidenten, aber den stört das nicht. Auch der Umstand, dass es noch keine Übereinkunft zwischen Kabul und den Taliban gibt, ist für ihn kein Hindernis.«
Die Legislaturperiode, für die Donald Trump der 45. Präsident der USA ist, endet erst am 20. Januar 2021 und von daher ist es keinesfalls übergriffig, was der Mann hier tut. – Die Beendigung von selbst angestifteten Angriffs-Kriegen, muss man zudem nicht an der Etikette messen, sondern an deren Ergebnis: Ist sie gelungen oder ist sie nicht gelungen. Das ist was zählt!
Der Mann ist zudem nicht ABGEWÄHLT worden, auch wenn das jetzt überall – und selbst noch hier – so kolportiert wird. Um ihn abzuwählen, hätte es eines Misstrauensvotums WÄHREND seiner regulären Amtszeit (Legislaturperiode), die immerhin noch bis zum 20. Januar 2021 12 Uhr Ortszeit geht, bedurft. Das war nicht so, und selbst das diesbezügliche Impeachment-Verfahren ist gründlich in die Hose gegangen.
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»Nicht der Kampf gegen den Terrorismus und gegen Aufständische oder gar Stabilisierungsoperationen stehen im Vordergrund, sondern die Konkurrenz mit anderen Großmächten, besonders mit China.«
Das halte ich für eine völlig falsche Analyse: Die USA haben niemals »einen Kampf gegen den Terrorismus und gegen Aufständische oder gar Stabilisierungsoperationen« durchgeführt. Diese Begriffe sind lediglich hohle Metaphern für ihre Taktik des ewigen Krieges, mit dem sie die Welt erobern wollen und sie dafür erst einmal gründlich zerstören müssen. – Diese Großkotzigkeit und Perversität werden allenfalls noch durch das Dritte Reich getoppt.
…
»Die Kritiker von Trumps Entscheidung fragen zu Recht: Was wird aus Afghanistan? Werden die Taliban die Macht übernehmen?«
Wieso fragen sie das zu Recht? Die USA wollen ganz ordinär die Welt erobern und bringen dafür größtmögliches Chaos, was auch „die Kritiker von Trumps Entscheidung“ wissen und die selbst nichts anders wollen.
Und bitte vergessen Sie eines nicht – auch Deutschland beteiligt sich an den sogenannten „Friedenseinsätzen“ und liefert hierfür selbst noch die Zielkoordinaten für verbrecherische Bombenabwürfe.
Ihre süffisant/nonchalante Sprache, mit der Sie die Causa Trump bedenken, ist er Situation höchst unangemessen.
mit dieser denke hätte sich die "westliche werte-gemeinschaft"
nie realisiert: weder durch die amerikan. unabhängigkeits-erklärung,
noch durch die frz.revolution. immer standen strategische (englische)
interessen dagegen.
»Jagd auf Afghanen wurde von Elite-Soldaten als eine Art Sport sowie als Aufnahmeritual für Neuankömmlinge betrachtet.«
Bemerkenswert dabei, daß das Empire, Sowjetunion und eine so technisch überlegene US geführte Allianz jeweils in Afghanistan scheiterten...
Der ist nie weg gewesen (außer in ein paar Städten). So ist das mit dem Krieg in der Fremde. Entweder man betreibt in total oder die Einheimischen holen sich alles zurück.
nun, arme, impotente gottes-staaten
werden kein engagement von groß-mächten auf sich ziehen,
wenn ihre topografische lage keine beachtung verdient.
sobald sie sich aber zu terroristischen gefährdungs-quellen
mit ausstrahlungs-kraft mausern,
setzt es mehr oder weniger punktuelle oder permanente einsätze.
so bietet sich "afghanistan" den groß-mächten dar.
dessen bevölkerung ist für diese: sekundär.
als zivil-denkende, in hiesigen verhältnissen/kämpfen verwickelte,
sollte man eine zivil-rechtliche sicht einnehmen, auch wenn
auf dem gebiet, in dem zahlreiche fremde ethnien leben,
weit entfernt scheint.
Die Bevölkerung ist aber nicht sekundär. Weder in Vietnam, Korea, Afghanistan oder auch in Deutschland. Entweder der Besatzer unterwirft sie komplett und flächendeckend oder man wird wieder verdrängt nach dem schönen Motto: "Ihr habt Uhren. Wir haben Zeit."
Vor 18 Jahren hätte man sich auch zeitig zurückziehen können nachdem die Bin Ladin Camps aufgelöst waren. Das damals legitime Ziel bestand doch in der Zerschlagung dieser Strukturen in Afghanistan. Die Niederlage der Taliban war damals für jedermann offensichtlich. Sie konnten (und wollten) diese "Gäste" nicht länger protegieren. Dabei hätte man es unter Vorbehalt auch bewenden lassen können.
kriege haben übrigens immer mit fremden zu tun.
zumindest: mit fremd-gewordenen.
Was für ein haarsträubender Artikel, der vergisst, wer den Krieg begonnen hat, wer ihn radikalisiert hat. Kriege sind unmenschlich. Aber an manchen Kommentaren kann man ablesen, dass Unmenschlichkeit nicht unbedingt stört, wenn es in die selbstegbastelte Scheinwelt passt.
»Was für ein haarsträubender Artikel, der vergisst, wer den Krieg begonnen hat, wer ihn radikalisiert hat.«
Ihr Hinweis ist nur zu berechtigt, vor allem vor dem Hintergrund auch deutscher Kriegsverbrechen in Afghanistan, und immerhin ist das sakrosankte Angriffsbündnis NATO 2001 in Afghanistan eingefallen.