Rechts geschlagen

Spanien Wird es bald eine linke Regierung geben?
Ausgabe 18/2019
Unterstützer der spanischen Sozialisten versammeln sich vor dem Hauptquartier der PSOE in Madrid
Unterstützer der spanischen Sozialisten versammeln sich vor dem Hauptquartier der PSOE in Madrid

Foto: Imago Images/alterphotos

Bei dieser Abstimmung sind zwei Spanien gegeneinander angetreten. Auf der einen Seite standen drei rechte Parteien: die konservative Volkspartei Partido Popular (PP), die rechtsliberale Kraft Ciudadanos (Cs), schließlich VOX mit einem neuartigen Rechtspopulismus. Diese dreifache Rechte unterstrich im Wahlkampf ihren Willen zur Kooperation. Für die Einheit des Staates und gegen die „nationale Gefahr“ von Separatismus und Sozialismus wollte man eine Koalitionsregierung bilden, wie das schon seit Ende 2018 in der Region Andalusien der Fall ist.

Die „gemäßigte“ Rechte hatte von Anbeginn keine Berührungsängste gegenüber der extremen Rechten. Im Gegenteil, die drei Parteien konkurrierten um die härteste Agenda. Schon allein das war der erste Sieg von VOX und seines schalen Gemischs aus Franco-Nostalgie und Trump-Nachahmung.

Demgegenüber warteten die Sozialisten unter Pedro Sánchez und die Linken von Podemos mit der Idee von einem anderen Spanien auf. Weniger Fahnen und mehr Sozialausgaben, weniger Katalonien-Verteufelung und mehr Dialogbereitschaft, so die Devise zumindest im Wahlkampf. Die gute Nachricht ist nun, dass sich dieses Spanien – das linke und offene – behauptet hat. Dem verschafft die hohe Beteiligung von 76 Prozent eine besondere Legitimation. Die Sozialisten, die noch vor wenigen Jahren daniederlagen, nähern sich mit gut 29 Prozent fast wieder dem Status einer Volkspartei.

Warum konnten sie sich derart regenerieren? Einen Anteil daran hat das persönliche Geschick von Sánchez, der in den vergangenen Monaten mit 85 von 350 Abgeordneten eine Minderheitsregierung führte, die profunde Themen setzte und populäre Maßnahmen wie einen auf 900 Euro angehobenen Mindestlohn beschloss. Weiter profitierte der PSOE von der Neuordnung des linken Lagers. Interne Querelen ließen Podemos an Zuspruch verlieren. Ungefähr ein Drittel der einstigen Wählerschaft trieb es mutmaßlich zurück zu den Sozialisten, abgesehen davon, dass Sánchez auch in der Mitte, unter ehemaligen Sympathisanten der Volkspartei, nicht leer ausging. Zudem dürften viele Nicht- und Gelegenheitswähler aus Angst vor einem starken Ergebnis der Rechtsextremisten ihre Stimme den Sozialisten gegeben haben.

Jedenfalls konnten die Sozialisten einen Achtungserfolg erringen. Sie sind nun in der komfortablen Lage, sich zwischen den rechtsliberalen Ciudadanos (16 Prozent) und den Linken von Podemos (14 Prozent) entscheiden zu können. Auf Letztere deutet dabei alles hin, ließ doch die Ciudadanos-Führung im Wahlkampf keinerlei Zweifel daran, dass mit dem „Vaterlandsverräter“ Sánchez, der das Land Separatisten und Radikalen ausgeliefert habe, kein Pakt möglich sei. Inhaltlich (und persönlich) bevorzugt Pedro Sánchez Podemos, zumal die linke Kooperation in der letzten Legislatur gelang.

Ausgemacht ist nichts. Im Mai gibt es mit Regional-, Kommunal- und Europawahlen eine nächste Runde des Kräftemessens. Dadurch wird sich indes nichts daran ändern, dass die katalanischen Unabhängigkeitsparteien nach der enormen Mobilisierung ihrer Wähler erneut über Sein oder Nichtsein einer linken Minderheitsregierung entscheiden.

Es bleibt offen, wie VOX mit seinen 23 Abgeordneten die parlamentarische Dynamik und politische Agenda prägen wird. Für die Rechtspopulisten begann am 28. April die „Reconquista“ Spaniens gegen die „linke Volksfront“.

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Geschrieben von

Conrad Lluis Martell | conrad lluis

Forscht zur Bewegung der indignados (Empörte) und ihren Auswirkungen auf Spaniens Politik und Gesellschaft, lebt in Barcelona, liebt den Bergport.

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