Rechtschaffen und gehässig

Im Kino "Hustle & Flow" zeigt den Aufstieg eines Zuhälters zum Rapper und schreibt dabei die Legende des Memphis-Sound fort

Wenn "eine Halbe Tasse Bass, ein Pfund sattes Schlagzeug, vier Esslöffel kochende Memphis-Gitarre, eine Prise Orgel, eine halbe Pinte Bläser" gerührt und zum Kochen gebracht werden, entstehe der Memphis-Sound, meinte einmal King Curtis, ein Protagonist des "Southern Soul". Die Musik des Südens gilt als rechtschaffen, zornig, schmutzig und gehässig. DJay, die Hauptfigur in Craig Brewers Hustle Flow, ein abgebrannter, frustrierter Zuhälter in Memphis, ist die exakte Verkörperung dieser Attribute: Er behandelt die Mädchen, die für ihn arbeiten, ziemlich grob, aber ein Gospel in der Kirche kann ihn zu Tränen rühren.

DJay unterhält eine Wohngemeinschaft mit drei Prostituierten in einem heruntergekommenen Haus im Getto. Da eine Mitbewohnerin infolge "undankbaren" Verhaltens samt ihrem Baby von ihm vor die Tür gesetzt wird und die zweite hochschwanger ist, versucht er zusätzlich noch als Klein-Dealer über die Runden kommen. Das einzig arbeitsfähige Mädchen chauffiert er in seinem unklimatisierten Chevrolet durch die Strassen des schwülen Memphis. Während die junge Frau für jeweils kurze Zeit in die Wagen der Freier wechselt, schreibt DJay Verse über das Zuhälterdasein. Sein Traum, ein Rapsänger zu werden, beginnt Gestalt anzunehmen, als er zufällig einem alten Kumpel begegnet, der mittlerweile als Tontechniker arbeitet. Mit dessen Hilfe wird das Haus in ein dürftiges Musikstudio umgewandelt, in dem DJay nun ansetzt, sein abgegriffenes Notizheft in der Hand, seine aufgestaute Wut auf das Leben heraus zu singen. Um ihn herum entsteht dabei eine kreative Atmosphäre, die dem Film eine auch den Zuschauer vereinnahmende Kraft verleiht. In dem mit Eierkartons schallisolierten Raum wird außerdem aus einem weißen Jungen, der Samples basteln soll, ein raffinierter HipHop-Produzent, und aus einer Mitbewohnerin DJays eine talentierte Sängerin.

Es wird viel geschwitzt in Hustle Flow, es wird gekifft, geraucht und in einem fort im Südstaatendialekt fucking und bitch geflucht. DJay trägt Lockenwickler, seine Aufenthaltsorte, die Stammkneipe und der Tabakladen, sind allesamt trostlos, die Straßen schäbig. Lenkte der afroamerikanische Regisseur John Singleton in seinem 1991 gedrehten Film Boyz n the Hood den Blick auf die miserablen Verhältnisse in South Central Los Angeles, zeigt der von ihm produzierte Hustle Flow die Rauheit von North Memphis.

Seine wichtigste Inspiration bezog der 33-jährige Drehbuchautor und Regisseur Craig Brewer dabei von seinen Freunden, die selbst als Rapmusiker in zusammengebastelten Lowbudget-Studios ihre Musik kreierten. Hustle Flow, mit wenig Geld gedreht, gewann in diesem Jahr überraschend den Publikumspreis des Filmfestivals in Sundance. Zu verdanken hatte er das nicht zuletzt seinem charismatischen Hauptdarsteller Terrence Howard, der bereits im Ray-Charles-Biopic Ray sein musikalisches Können bewies. Howard wurde zudem kürzlich in Palm Springs - auch aufgrund seiner Rolle als von weißen Polizisten gedemütigter Ehemann in L.A. Crash - zum Nachwuchsschauspieler des Jahres erklärt. Er spielt DJay mit einer Authentizität und Leichtigkeit, die die Arbeit hinter dieser Darbietung zum Verschwinden bringt. Man verachtet diesen Djay, wenn er, um an ein besseres Mikrofon zu kommen, an eins, das er sich nicht leisten kann, eines der Mädchen dem Ladenbesitzer schenkt. Man hat aber auch Mitgefühl mit ihm, wenn er voll Demut eine Kassette seiner so mühevoll aufgenommenen Musik einem berühmten Rapper (gespielt vom Rapper Ludacris) übergibt, mit der Erwartung, dass dieser ihm zu einer Chance verhilft. So wie der Titel des Films auf dieses Wechselhafte verweist, schwankt die Figur des DJay zwischen ihren Stimmungslagen hin und her und lässt den Zuschauer mitschwanken. Hustle steht für das Geldbeschaffen durch Prostitution, Zuhälterei oder Drogenhandel; Flow dagegen bezeichnet den Schwall der Gefühle.

In Hustle Flow gibt es einige Andeutungen auf den legendären Memphis-Sound, der unter anderem Elvis (wobei der Regisseur jedwede Anspielung auf den Musiker im Film von sich weist), Sam and Dave, das nicht minder legendäre Soul-Label Stax oder Justin Timberlake hervorgebracht hat. Seine besondere Energie schöpft der Memphis-Sound nicht zuletzt daraus, dass die Bands sich traditionell aus schwarzen und weißen Musikern zusammensetzen. Als schönstes Zeichen der Hommage an diese Musik kann deshalb gelten, dass Isaac Hayes, einer der bedeutendsten Gestalter des Memphis-Sounds, mit einer kleinen Rolle im Film vertreten ist.


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