Rechtsputsch bei den Tories

Kommentar Parteichef Michael Howard

Seit 1997 New Labour an die Macht kam, verhält es sich mit der Konservativen Partei Großbritanniens wie mit einem vom Abstieg bedrohten Fußballverein. In regelmäßigen Abständen stellen die Mitglieder fest, dass die erste Mannschaft hinter den Erwartungen zurückbleibt, und die Medien beginnen, über die Zukunft des Trainers - respektive Parteichefs - zu spekulieren. Eine Zeitlang beteuert dieser, er säße sicher im Sattel, bis er dann schließlich doch abtritt. Um weiterer Unsicherheit vorzubeugen, wird dann hastig ein Nachfolger auserkoren. So trug es sich vergangene Woche zu, als Ian Duncan Smith von Michael Howard als Tory-Chef abgelöst wurde - der vierte Parteiführer in nur sechs Jahren.

Dieser neuerliche Wechsel trägt die Züge eines Rechtsputsches. Auf zwei zentralen Politikfeldern der Konservativen - Europa und Kriminalität - betrieb Smith eine vergleichsweise moderate Opposition. Howard dagegen, im Unterhaus ein aggressiver und brillanter Redner, steht für Euroskepsis und Law and Order. Zwar beteuert er, die Partei von der Mitte her führen zu wollen, nur seine Vergangenheit lässt anderes erahnen: 1983 verlangte er die Wiedereinführung der Todesstrafe. Als Innenminister unter John Major war er später persönlich dafür verantwortlich, dass zwei Zehnjährige zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt wurden. Als Blair 1997 ankündigte, "hart gegen das Verbrechen und hart gegen die Ursachen des Verbrechens" vorgehen zu wollen, antwortete Howard: "Ich weiß, was Kriminalität verursacht: Kriminelle."

Nachdem New Labour seit 1997 immer tiefer in die konservative Stammwählerschaft vorgedrungen ist, scheinen sich die Tories nun auf Wählersuche am rechten Rand zu begeben, nachdem sie während der vergangenen Monate in Gefahr gerieten, auf den dritten Platz der britischen Parteienlandschaft abgedrängt zu werden - hinter Labour und den Liberaldemokraten. Ob Howard allerdings geeignet ist, verlorene Wähler zurückzuholen, erscheint zweifelhaft. Als Angehöriger der diskreditierten Major-Regierung zählt er nicht gerade zu den beliebtesten Politiker des Landes. Bei jüngsten Umfragen meinten 26 Prozent, jetzt sei es für sie erst recht ausgeschlossen, konservativ zu wählen. Howard erlitt schon einmal eine vernichtende Wahlniederlage: In der parteiinternen Abstimmung zum Tory-Vorsitz 1997 wurde er Letzter.

Es deutet also bisher nichts darauf hin, dass sich die Tory-Rochade an den Wahlurnen auszahlt. Allerdings könnte sie dazu führen, dass Tony Blair seinen Marsch in die Mitte fortsetzt, solange es kein parlamentarisches Korrektiv gibt, das dem entgegen wirkt. Bewegen sich die Tories weiter nach rechts, wird ihnen die Labour Party wohl folgen. So dürfte das wahrscheinlichste Ergebnis von Howards Parteivorsitz darin bestehen, dass er die gesamte politische Landschaft ein Stück in seine Richtung zerrt.


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