Kevin Kampl, der Pott und die Dose Red Bull: Warum RB Leipzig gar keine Anerkennung will

DFB-Pokal Hört endlich auf, uns auszugrenzen! Das fordert RB Leipzig nach außen. Doch in Wirklichkeit will der Club um Sponsor Red Bull gar kein normaler Verein sein
Ausgabe 22/2022

Bei Fußballspielen schwirren viele Menschen umher, die irgendeine Funktion ausüben. Die Ersatzbänke, früher den Spielern, einem Medizinmann und dem Manager vorbehalten, der dekorativ neben dem Cheftrainer saß, reichen mittlerweile fast bis zur Eckfahne. Es müssen ja auch die Videoanalysten mit ihren Tablets, der Warm-up-Instructor, die Teammanagerin und der auf die Faszien spezialisierte Physiotherapeut darauf untergebracht werden. Ist ein Spiel abgepfiffen, fluten noch mehr autorisierte Leute den Innenraum des Stadions. Dann sind auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu sehen, auf deren Kleidung „Vereinsmedien“ oder „Club Media“ steht. Sie inszenieren die Nachbetrachtung des Events, das soeben stattgefunden hat.

Jemand von den „Club Media“ hat auch das letzte Aufregerbild der deutschen Fußballsaison 2021/22 geschaffen. Rasenballsport Leipzig hatte in Berlin den DFB-Pokal gewonnen, die Mannschaft feierte in der Kabine – da muss sich folgende Szene zugetragen haben: Freundliche Bitte an den Spieler Kevin Kampl, der gerade mit der Trophäe beschäftigt war: „Kevin, gieß doch mal ’ne Dose Red Bull in den Pott.“ Das Foto, durchaus ikonisch, weil es den endgültigen Einzug des Kommerzes in eine traditionsbeseelte Welt dokumentiert, ging über die RB-Leipzig-Accounts durch die sozialen Netzwerke – und löste die erwartbare und wohl auch durchaus erwünschte Empörung aus. Etwa: „Am Tag, als der Fußball starb“. In der Red-Bull-Konzernzentrale im österreichischen Fuschl am See dürfte die Freude groß gewesen sein: Jede Erwähnung des Produkts ist ein Gewinn.

Eingebetteter Medieninhalt

Seit gut zehn Jahren läuft dieses Spiel: Das Konstrukt Red-Bull-Fußball – geschaffen, um die einst über den Actionsport zum Taurindrink gekommene, aber mittlerweile älter gewordene Kundschaft weiter an die Marke zu binden – lebt von der Provokation. Und eben davon, nicht richtig dazuzugehören. Ein Club wie die meisten anderen zu sein: Das ist gar nicht das Ziel der Leipziger (die ja in Wahrheit Fuschler sind). Als Normalo wäre man langweilig. Man soll aber außergewöhnlich sein – wie der Geist aus der Dose. Die Sehnsucht nach Anerkennung, die Fuschl/Leipzig angeblich umtreibt, ist nur ein Kniff dafür, die erbitterten Diskussionen in Gang zu halten.

Die Power des Produkts: Kaufe und trinke!

RB Leipzig ist auch nicht vergleichbar mit Bayer Leverkusen, dem VfL Wolfsburg und der TSG Hoffenheim – also denjenigen Organisationen, bei denen die 50+1-Regelung, die die Herrschaft der Mitglieder über die Kapitalgeber sichert, elegant ausgehebelt wird. Ja, in Leverkusen bezahlt das Bayer-Werk die Fußballer – aber der Verein betreibt seit über 100 Jahren Breiten-, Werks- und Gesundheitssport, riesige Anlagen zeugen davon. Auch der VfL Wolfsburg ist mehr als VW – er ist ein vielfältiger Club mit einem alten Vereinsheim, in dem die Stühle knarzen. Die TSG Hoffenheim ist eine Bühne, auf der der Unternehmer Dietmar Hopp die Eitelkeit eines Regionalfürsten auslebt; er will geliebt werden, aber nichts verkaufen. Hoffenheim ist nie für SAP Werbung gelaufen.

Die Existenz von Rasenballsport Leipzig erfüllt hingegen lediglich einen Zweck, die Darbietung von Spitzensport, der den Betrachtenden signalisiert: Mit der Power unseres Produkts kannst auch du Großartiges erreichen. Daher: Kaufe und trinke!

Es gibt keine Stimmen, die sich gegen diese Mission erheben würden. Denn Fans haben im Verein RB Leipzig nichts zu melden. Die insgesamt 21 Mitglieder mit Stimmrecht stammen, wie es immer so schön heißt, „aus dem Umfeld der Firma Red Bull“. Sie würden eigentlich noch mit auf die lange Bank am Spielfeldrand passen. Aber wollen sie alle zwei Wochen aus Österreich anreisen?

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