Für die Presse der DDR war es eine Tarnorganisation des westdeutschen Imperialismus, deren Agenturen im Ausland unter dem Deckmantel der Kultur Infiltration, ideologische Diversion und Spionage betrieben. Für den Bayernkurier und die Springerpresse handelte es sich um "Zentralen der Subversion", die sich der "internationalen subkulturellen Wühlarbeit" widmeten und "über kurz oder lang in Karl-Marx-Institute umbenannt werden müss(t)en".
Die Rede ist vom Goethe-Institut, das in diesen Tagen im Berliner Kronprinzenpalais seinen 50. Geburtstag feierte. Seine Entwicklung seit der Neugründung dokumentiert eine ziemlich beispiellose Erfolgsstory, in der Krisen und Kritik nicht fehlten, am Ende aber stets überwunden wurden. Neben der Verteidigung der Unabhän
der Unabhängigkeit seiner Arbeit, besonders in den siebziger und achtziger Jahren, ging es stets von neuem um deren ausreichende Finanzierung und eine Definition der Aufgaben in einer sich verändernden Welt.Aus dem "Goethe-Insitut zur Fortbildung ausländischer Deutschlehrer" wurde 1961 eines "zur Pflege der deutschen Sprache und Kultur im Ausland". Seit 1976 heißt es nun "Goethe-Institut zur Pflege der deutschen Sprache und zur Förderung der internationalen Zusammenarbeit". An diesen Änderungen ablesbar ist die Entwicklung von der reinen Sprachförderung zu einer kulturellen Programmarbeit. Heute betreibt man sie in engem Kontakt mit den Partnern vor Ort und, soweit möglich, mit den europäischen Nachbarländern. Seit der kürzlichen Fusion mit Inter Nationes, das die Zweigstellen im Ausland mit Büchern und Filmen versorgt, steht an zweiter Stelle im Titel auch dieser Name.Aus der Praxis ergeben hat sich im Lauf der Jahre ein erweiterter Kulturbegriff. Allen gemeinsame Probleme wie Umwelt- und Verbraucherschutz, Veränderungen des Arbeitsmarktes und moderner Städtebau, Drogenbekämpfung und neue Medien wurden Gegenstand von bilateralen Fachseminaren. In jüngerer Zeit hat die Münchener Zentrale gelegentlich gemahnt, Beliebigkeit zu vermeiden und die schönen Künste nicht ganz zu vergessen. Aber eine Zurückstufung auf die Spracharbeit, allenfalls ergänzt durch Kammerkonzerte und Dichterlesungen, wie sie von konservativen Kreisen einmal angestrebt wurde, ist heute undenkbar geworden.Eine Konstante, mit der jede Zweigstelle im Ausland rechnen muss, ist das natürliche Spannungsverhältnis zur Botschaft, das sich aus den unterschiedlichen Funktionen beider Einrichtungen erklärt. Die diplomatische Vertretung hat die Politik der jeweiligen Bundesregierung zu vertreten. Das Goethe-Institut dagegen muss das ganze gesellschaftliche und kulturelle Spektrum der Bundesrepublik darstellen, sollen seine Angebote nicht steril und langweilig werden. Dieses Verhältnis ist heute durch einen Vertrag mit dem Auswärtigen Amt geregelt. Schwierig kann die Konstellation in Staaten werden, die ihren Bürgern elementare Rechte vorenthalten. Auch hier muss die Botschaft die bilateralen Beziehungen pflegen, während das Goethe-Institut die größere Bewegungsfreiheit, die ihm sein besonderer Status erlaubt, oft klug nutzt. In den Jahren der Diktatur in Spanien und Portugal, der Herrschaft der Obristen in Athen und des Schahs in Teheran wurden seine Zweigstellen zu einem Refugium der kritischen Intelligenz und der demokratischen Opposition. Mehr als einmal hat die Bundesrepublik nach einem Umsturz gerade davon profitiert, so dass Skeptiker schon eine besonders raffinierte Form von Arbeitsteilung vermutet haben.Unverändert geblieben ist der Kampf um die benötigten Mittel, der auf stetig höherem Niveau immer wieder von neuem geführt wird. Im Laufe der Jahrzehnte ist der Etat von anfangs 30 Millionen auf mehr als das Zehnfache gestiegen, aber in der gleichen Zeit ist die Zahl der Zweigstellen und ihrer Mitarbeiter ständig gewachsen, auch das Feld ihrer Aktivitäten hat sich verbreitert. Da Mieten und Gehälter fixe Kosten sind, bleibt immer weniger Geld für Bibliotheken und Programmarbeit. Um neue Institute in Osteuropa zu eröffnen, müssen alte geschlossen werden. Das ist die Lage ein halbes Jahrhundert nach der Neugründung. Versuche einer politischen Zensur sind von der jetzigen Regierung nicht zu befürchten. Die Frage ist, wieviel Geld sie zur Verfügung stellt, damit das Goethe-Institut die großen Erwartungen, die sich mit seinem Namen heute in aller Welt verbinden, auch erfüllen kann.Der Berliner Schriftsteller und Publizist Gerhard Schoenberner war Gast zahlreicher Goethe-Zweigstellen im Ausland. Fünf Jahre leitete er selbst das westdeutsche Kulturzentrum in Tel Aviv.