Auflage Sie drucken und drucken und drucken: Die Regenbogenverlage fluten die deutschen Zeitschriftenläden mit ihren Klatsch- und Lügengeschichten millionenfach. Es ist ein riesiger Markt. Von Adel aktuell bis Woche heute gibt es knapp 80 verschiedene Titel. Manche erscheinen wöchentlich, andere monatlich, wieder andere zweimonatlich. Die größten Blätter – die Freizeit Revue (834.000 verkaufte Hefte wöchentlich), die Neue Post (698.101) und die Freizeit Woche (477.549) – spielen bei der Auflage in einer Liga mit Spiegel (896.298), Stern (812.429) und Focus (530.931). Das Schreckliche dabei: Auch im hintersten Eck des Journalismus wird Meinungsbildung betrieben. Und zwar mit einer enormen publizistischen Macht: Zusammen kommen alle Regenbogenh
ammen kommen alle Regenbogenhefte auf eine jährliche Gesamtdruckauflage von über 500 Millionen Exemplaren. Dieses Goldesel-Geschäft teilen sich die zehn Verlage Alles Gute, Bauer, Burda, ConPart, Deltapark, Klambt, Livingston, SCG, Stegenwaller und WAZ Women Group untereinander auf.BBoris Becker Der omnipräsente Ex-Held ist eines der absoluten Lieblingsopfer der Regenbogenpresse. Auf kaum einen deutschen Prominenten wird derart heftig und häufig eingeprügelt wie auf den ehemaligen Tennisprofi. Glaubt man den ganzen Geschichten, dann ist Becker auf jeden Fall alkoholkrank, hat „schockierende erotische Phantasien“, quält seine Ehefrau und hat seine Verflossenen mit einem Fluch belegt. Außerdem führt er ein „maßloses Lotterleben“, hat heimlich eine zweite Familie und gibt ohnehin nur noch ein „Bild des Jammers“ ab. Dass es die Redaktionen ausgerechnet auf Boris Becker abgesehen haben, ist kein Zufall: Erstens kennt ihn so gut wie jeder, vor allem in der Zielgruppe der Regenbogenhefte. Zweitens liefert er den Autoren mit seiner Dauer-Twitterei reichlich Steilvorlagen. Und drittens gehört er zu jenen Prominenten, denen die Lügen und Beleidigungen in den bunten Blättern nicht viel auszumachen scheinen – zumindest geht er nie juristisch dagegen vor.CCharlène von Monaco Die Fürstin ist für die Regenbogenpresse sozusagen die weibliche Boris Becker. Charlène kriegt immer auf die Mütze. Sie könnte eigenhändig blinde Hundewelpen aus einem brennenden Sweatshop in Bangladesch retten – und die Regenbogenpresse würde fragen: „Warum schenkt sie Monaco keinen Thronfolger?“ Charlène hat einfach keine Chance: Trinkt sie auf einem Foto ein stilles Wasser, befindet sich im Regenbogenuniversum Wodka in ihrem Glas. Trifft sie sich mit einem Freund zum Mittagessen, geht sie fremd. Der größte Vorwurf der bunten Blätter ist und bleibt aber, dass sie und ihr Albert noch immer kein Kind fürs Fürstentum bekommen haben. Die Regenbogenpresse lechzt nach einem Thronfolger. Denn wo würde die Welt enden, wenn bei der monegassischen Fürstenfamilie nicht bald Nachwuchs zu bejubeln wäre? Wo Charlène dann enden würde, wusste immerhin Das Neue: Dort verglich man die frühere Profischwimmerin mit Prinzessin Soraya, die „einsam und verlassen“ in Paris starb, nachdem sie dem Schah von Persien kein Kind schenken konnte. Die Aufforderung zwischen den Zeilen: Verdammt, Charlène, bekomm endlich ein Kind – oder du wirst elendig zugrunde gehen! Hach, eine schöne Drohung.FFreizeit Wie ein Geschwür frisst sich die Regenbogenpresse in die Kioskregale des Landes – bösartig, schnell, unaufhaltsam. Allein im letzten halben Jahr sind acht neue Hefte erschienen. Sieben davon tragen – so wie gut die Hälfte aller Regenbogenhefte – irgendwas mit „Freizeit“ im Namen. Bei der Namensgebung haben sich vier Varianten etabliert. Der Klassiker: Freizeit plus Substantiv. Zum Beispiel: Freizeit Revue, Freizeit Blitz, Freizeit Gold, Freizeit Glück, Freizeit Welt oder Freizeit Vergnügen. Variante Nummer zwei: Freizeit plus Adjektiv: Freizeit direkt, Freizeit aktuell, Freizeit exklusiv, Freizeit live, Freizeit pur oder Freizeit total. Geht übrigens auch andersherum: Schöne Freizeit, Glückliche Freizeit, Neue Freizeit oder Super Freizeit. Variante Nummer drei: Freizeit mit Verb, etwa: Freizeit genießen oder Freizeit erleben. Und schließlich Nummer vier: Freizeit mit persönlichem Bezug. Zum Beispiel: Freizeit für die Frau, Freizeit für mich, Freizeit für meinen Tag oder Freizeit für uns in NRW. Die Namensrechte für Bayern und Hessen hat sich der Hamburger SCG-Verlag auch schon gesichert.GGegendarstellungen Was es in den vergangenen Monaten nicht alles so nicht gab: Es gab keine Tränen beim Helene-Fischer-Konzert in Klagenfurt, für Günther Jauch gab es keine Chance, seinen todkranken Freund zu retten, und Heino gab nicht bekannt, dass er all seine Termine absagt. Die Viel Spaß, die Woche der Frau und die Freizeit Woche haben das alles dennoch behauptet. Und Fischer, Jauch sowie Heino sind mit Gegendarstellungen dagegen vorgegangen. Anschließend darf dann zum Beispiel Helene Fischer in Die Zwei feststellen: „Ich habe dem Fan keinen Kuss auf den Mund, sondern auf die Wange gegeben.“ Und die Redaktion muss zugeben: „Helene Fischer hat Recht.“ Das Blatt Das Neue musste im Juli Karl-Theodor und Stephanie zu Guttenberg zustimmen, dass sie keine Angst um ihre Töchter und daher auch keine schlaflosen Nächte haben. Na, das ist doch der Stoff, aus dem Regenbogenträume sind. Mögliche Schlagzeile: „Was sind das für Eltern? Die Guttenbergs sorgen sich nicht um ihre Kinder!“LLebensechte Orang-Utan-Babys Sie haben nach den Feiertagen noch etwas Geld übrig? Wie wär’s denn mit dem „ersten lebensechten Affenbaby der Welt“? Dieses „Meisterwerk“ ist 40 Zentimeter groß, hat „fröhliche dunkle Kulleraugen“, weiches Fell und „unglaublich lebensechte“ Haut. Und das alles für nur 140 Euro! Bei Interesse schauen Sie einfach in die Regenbogenpresse, dort werden die „kleine Umi“, „Baby Babu“ und andere gruselige Puppen nämlich häufig beworben.Leser Die gängige Meinung zur Leserschaft der Regenbogenpresse dürfte sein: Das sind doch alles alte Frauen ohne besondere Bildung. Und was sagen die Statistiken? Nun ja, genau das. Umfragen zeigen tatsächlich, dass acht von zehn Regenbogenlesern weiblich sind, weit mehr als die Hälfte über 60 Jahre alt ist und zwei Drittel lediglich die Hauptschule besucht haben. Die Redaktionen kennen ihre Leserinnen sehr genau. Sie wissen, was die Käuferinnen erwarten, wenn sie zu Hause auf der Couch gierig nach Klatschgeschichten, Kreuzworträtseln und Knödelrezepten die Hefte aufschlagen: Sie wollen am Leben der Reichen und Schönen teilhaben, in diese ferne Welt fliehen und die eigenen Sorgen hinter sich lassen. Aber sie begeben sich auch auf die Suche nach den Rissen und Problemen auf diesem weit entfernten Planeten der glänzenden Paläste, um sich an diesen Makeln hochzuziehen. Wenn selbst Könige und Promis Sorgen und Nöte haben, ist das eigene Leben doch gar nicht mehr so schlimm.NNeue Welt Kaum ein Schicksal ist in diesem Jahr so sehr ausgeschlachtet worden wie das von Johan Friso. Der niederländische Prinz war Anfang 2012 nach einem Lawinenunglück ins Koma gefallen. Seitdem hatten deutsche Blättchen immer wieder suggeriert, der Prinz sei gestorben – oder aber, er sei wie durch „ein Wunder“ genesen. Dass solche Schlagzeilen jeglicher Grundlage entbehrten, zeigte sich spätestens am 14. August 2013, als die Neue Welt groß auf ihrer Titelseite verkündete: „Johan Friso – Endlich aufgewacht! – Der Arzt: ‚Jetzt ist nichts mehr unmöglich‘“. In Wirklichkeit war Friso zwei Tage zuvor gestorben. Die Realität hatte den Fantasien der Hefte auf tragische Weise einen Strich durch die Rechnung gemacht. Mal wieder. Immerhin reagierte die WAZ Women Group rechtzeitig und zog die bereits gedruckte Neue Welt zurück, bevor sie in den Verkauf gehen konnte.RReportagen Kein deutsches Medium ist so nah dran am Geschehen wie die Frau mit Herz und die Heim und Welt. Jedenfalls tun die Blätter so – und erfinden Woche für Wo-che vom Schreibtisch aus fröhlich Reportagen. Und die lesen sich dann so: „Schweißgebadet wacht Beatrix auf. Immer wieder wird sie von den Albträumen der Vergangenheit eingeholt.“ Oder: „Seine Stimme wird immer noch lauter und überschlägt sich. Dann schmettert Juan Carlos den Telefonhörer mit einem lauten Knall in die Gabel“. Oder: „Der Hörer in ihrer Hand beginnt zu zittern. Königin Elizabeth (87) spürt, wie ihr schwindelig wird.“ Die Autoren sitzen im Buckingham Palace neben der Queen, liegen mit Beatrix im Bett und erleben den spanischen Monarchen beim Wutausbruch. Die Leitfrage ihrer Fantasiegebilde lautet nicht „Wie war es?“, sondern „Wie könnte es vielleicht gewesen sein?“SSchleichwerbung Dank der „hochwirksamen Super-Creme“ ist die Haut von Angelika K. wieder „traumhaft frisch und sensationell straff“. Diese „Jung-Creme“ sei „einzigartig“, „schwärmt“ die Hausfrau „begeistert“, sie fühle sich „wieder attraktiv“ und sei „viel selbstbewusster“. Auch ihre Apothekerin „kann diese Wundercreme gegen Falten nur empfehlen“. Und Professor Doktor Soundso erklärt, der „Riesen-Erfolg“ der Creme sei durch „klinische Studien“ bestätigt worden. So geht es immer weiter – eine komplette Seite voller Werbefloskeln. Gekennzeichnet ist dieser PR-Artikel allerdings nicht. Im Gegenteil: Er wurde aufwendig ans Layout der anderen Artikel angepasst und ist nicht vom redaktionellen Inhalt zu unterscheiden. In nahezu jeder Woche versteckt der Klambt-Verlag einen solchen Fake-Artikel in seinen Regenbogenheften. Mal wird die Anti-Falten-Creme beworben, mal Schlankmacher-Pillen, mal ein Mittel gegen Fuß- und Nagelpilz. Das Geschäft mit der heimlichen Werbung scheint – auch in anderen Verlagen – ziemlich perfekt organisiert zu sein.VVerleumdung Das, was die Regenbogenpresse macht, ist oft alles andere als erlaubt. Wenn zum Beispiel die Promi Welt über Norwegens Kronprinzessin Mette-Marit schreibt, sie habe in Indien zwei Kinder entführt, dann ist das nicht nur reiner Mumpitz, sondern auch richtig kriminell. Denn diese – Achtung, Juristenjargon – ehrenrührige, nicht erweislich wahre Tatsachenbehauptung dürfte die Promi Welt wider besseres Wissen aufgestellt haben. Und schwups, ist man bei einer Verleumdung. Der Haken an der Sache: Juristisch dagegen vorgehen kann nur der oder die Betroffene selbst. In diesem Fall also Mette-Marit. Doch wenn die im weit entfernten Norwegen gar nichts von dem Schmutz mitbekommt, mit dem sie beworfen wird, dann passiert der Promi Welt genau: nichts. Und so gilt seit Jahrzehnten: Wo kein Kläger, da kein Richter, da kein Henker.ZZuspitzungen Auf den Titelseiten der bunten Blätter wird aus einer Mücke schnell mal eine tollwütige, menschenfressende Herde von Terror-Elefanten. Nichtigkeiten werden aufgeplustert, Aussagen verdreht, Tatsachen zugespitzt. Wenn Helene Fischer bei einer Generalprobe gestolpert ist, sich im letzten Moment aber fangen konnte, nennt die Regenbogenpresse das ein „Verheimlichtes Drama“. Gewinnt die Tochter von Christina Plate ein Taekwondo-Turnier im schwäbischen Sindelfingen, heißt es auf der Titelseite: „Verblüffende Enthüllung – Endlich ist das Geheimnis um ihre einzige Tochter gelüftet“. Und wenn Günther Jauch im Fernsehen erzählt, dass die Straße vor seinem Haus Schlaglöcher hat, lautet die Überschrift: „So wüst lebt er! – Skandalöse Zustände im Villen-Viertel“. Und was glauben Sie, von welcher „unheilbaren Krankheit“ der Sohn von Oliver Geissen bedroht wird? Genau: Heuschnupfen.
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