Regierungsvorhaben: Wandern

Kanzlerin Angela Merkel erzählt im Video-Podcast über ihre Urlaubspläne. Das widerspricht der Aufgabe des Bundespresseamts, das Bürger informieren und keinen Wahlkampf machen soll
Es war einmal ... Angela Merkel
Es war einmal ... Angela Merkel

Foto: dpa

Passend zur Ferienzeit informiert Frau Merkel per Videopodcast die Bürger über ihre Urlaubsvorlieben. Hochoffiziell versichert sie auf den Webseiten der Regierung, dass sie sich auf etwas Bewegung an der frischen Luft freue. Bei der Bergwanderung, so erfährt man, könne Frau Merkel abschalten und Kraft für den bevorstehenden Wahlkampf tanken. Heute müsse sie sich nicht mehr auf die Berge der befreundeten sozialistischen Länder und 30 DDR-Mark am Tag beschränken.

Wer möchte dieser ehemaligen Rucksacktouristin nicht wünschen, sich als Bundeskanzlerin des vereinten Deutschlands von Euro-Krise und Prism-Affäre zu erholen? Die gewonnene Reisefreiheit zu genießen und in einem anständigen Hotel zu residieren? Niemand – ja geradezu kleinlich wäre es, ihr vor dem Hintergrund der enormen Belastungen als Regierungschefin keine Auszeit zu gönnen.

Damit auch alle Bürger von den bodenständigen Urlaubsabsichten erfahren, twittert sogar der Regierungssprechers Steffen Seibert, dass Frau Merkel Erholung beim Wandern sucht – dazu ein Link zum Videopodcast. So funktioniert das Web 2.0, so sieht moderne Regierungskommunikation aus. Doch gehört dieser rührselige Feriensteckbrief zum Informationsauftrag des Bundespresseamtes, dessen Chef Seibert ist?

Personalisierte Imagepflege

Das Presse- und Informationsamt hat die Aufgabe, mit den Mitteln der Öffentlichkeitsarbeit Bürger und Medien über das Regierungshandeln und -vorhaben zu informieren. Gehören hierzu auch Urlaubsvorhaben der Regierungsmitglieder? Das wäre wohl eine sehr wortgetreue Auslegung des Arbeitsauftrages.

Die personalisierte Imagepflege der Bundeskanzlerin lässt sich kaum mit der gebotenen Neutralität der Staatsorgane in Einklang bringen. Vor dem Hintergrund historischer Erfahrungen sind der staatlichen Öffentlichkeitsarbeit in Deutschland enge Grenzen gesetzt.

Um die Chancengleichheit der politischen Parteien zu wahren, ist die Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung auf die sachgerechte Begründung und Darlegung ihrer Politik beschränkt. Dies gilt erst recht im Wahlkampf. So ist es dem Bundespresseamt untersagt, werbend zugunsten oder zulasten der Wahlkontrahenten einzuwirken. Wenn amtliche Veröffentlichungen „mehr der Steigerung des Bekanntheitsgrades und der Sympathiewerbung für Mitglieder der Bundesregierung als der Befriedigung eines von der Sache her gerechtfertigten Informationsbedürfnisses der Bürger dienen“, lägen Anzeichen einer unzulässigen Wahlwerbung vor, urteilten die Bundesverfassungsrichter schon im Jahr 1977.

Eine Grenzüberschreitung

Es ist offensichtlich, dass im aktuellen Videopodcast die persönlichen Qualitäten von Frau Merkel, etwa ihre eher genügsame Urlaubswahl, herausgestellt werden. Der informative Gehalt, der eine regierungsamtliche Veröffentlichung rechtfertigen könnte, beschränkt sich auf ihr sehr allgemeines Versprechen, sich auch in der Ferienzeit um alle politischen Ereignisse zu kümmern.

Zwar lässt die eher einfache Produktion auf einen vernachlässigbaren finanziellen öffentlichen Aufwand schließen. Man könnte die ganze Sache leicht als unbedeutende Bagatelle abtun, als Bonmot beflissener Ministerialbeamter kurz vor der Sommerpause. Doch das Urlaubsinterview ist eine Grenzüberschreitung.

Seit Monaten ätzt der politische Gegner unter den sogenannten Tefloneigenschaften der Amtsinhaberin. Mehr noch als ihrem Vorgänger gelingt es ihr, die Klaviatur des medialen Ereignismanagements zu spielen. Es gibt kein politisch relevantes Thema, zu dem Frau Merkel keinen Gipfel abgehalten hätte. Auch wenn man handfeste Ergebnisse vergebens sucht, so verströmen die Gipfel doch das wohlige Gefühl, dass sich im Kanzleramt etwas tut. Für das wirksame Drehbuch dieser Gipfel wird Frau Merkel von den Profis aus dem Bundespresseamt unterstützt. Auch wenn diese Arbeit vom funktionalen Auftrag des Presseamtes gedeckt ist, mehrt sie doch das Prestige der Amtsinhaberin und kommt ihr als Kanzlerbonus zugute.

Umso dringlicher muss all das unterbleiben, was im Wahlkampf die tatsächlich bereits bestehende Ungleichheit noch verstärkt. Für jegliche Form der Selbstdarstellung müssen die Parteizentralen, sowohl in der Erstellung, Verbreitung als auch Finanzierung, zuständig bleiben. Dies ist nicht nur verfassungsrechtlich notwendig, sondern auch demokratiepolitisch geboten.

Thomas Tuntschew, Jahrgang 1985, ist Dozent der Politik- und Verwaltungswissenschaft an der Universität Potsdam

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