Der Bus fährt von Berlin ab, sein Ziel ist irgendwo an der Südküste von England. Im Bus sitzen Jugendliche im Alter von 12 bis 16 Jahren. Sie fahren in die Ferien. Die Eltern gehören kaum zu den Reichen in Deutschland. Kinder von Reichen würden das Flugzeug nehmen. Die Jugendlichen im Bus nähern sich Calais. Was sie dort sehen, bevor sie in den Tunnel einfahren, kennen etliche von ihnen aus den Nachrichtensendungen des Fernsehens oder aus den Tageszeitungen. Jetzt und hier ist das alles Wirklichkeit. Sie fahren durch mit Urlaubsgepäck, die da draußen bleiben, wo sie sind und wo sie nicht bleiben können. Auf der Rückfahrt werden sie wieder vorbeikommen. Sie fahren dann nach Hause. Sie waren nur in Europa unterwegs. Die anderen dürfen das nicht.
Das sind zwei Weisen der condition humaine, wie sie krasser nicht von einander geschieden sein könnten. Was wird sich davon den Kindern einprägen? Was wird ihnen zur Erinnerung an diese Bilder kommen, wenn sie daheim in Berlin oder anderswo nun aufmerksamer zuhören, wenn von den Flüchtlingen die Rede ist? Wenn sie den Streit mitbekommen über Bürgerkriegsflüchtlinge und Armutsflüchtlinge; über solche, die hierbleiben dürfen, demnächst in gigantischen Zeltstädten und Containerburgen, und solchen, die rasch zurückgeschickt werden sollen? Die Wirtschaft, erfahren sie, fordert ein Einwanderungsgesetz. Das wäre schön: für die Wirtschaft, die Arbeitskräfte braucht, und für diejenigen, die dafür in Frage kommen. Aber was hat das mit den Zehntausenden zu tun, die unablässig übers Mittelmeer kommen, was mit den Hunderttausenden, die in der Türkei und im Libanon in Lagern sitzen? Die Jugendlichen, mit den Bildern aus Calais im Kopf, werden auf Diskussionen warten, in denen die ganze Dimension des Flüchtlingsdramas ernst genommen wird.
Was Europa derzeit in den Anfängen erlebt, ist der Beginn eines Geschehens, welches das Gesicht der nächsten Jahrzehnte bestimmen wird. Noch ist nicht absehbar, wohin Europa da gehen wird. Und wie Europa in einigen Jahrzehnten aussehen wird. Verglichen mit dem, was da auf dem Spiel steht, sind die politischen Auseinandersetzungen in den Nationalstaaten über die anstehenden Schwierigkeiten lächerlich. Die Presse reagiert nur auf die Töne, die von den Politikern kommen. Die Politiker reagieren nur auf die Presse. Was die Jugendlichen in dem Bus aus Berlin gesehen haben mögen, ist von anderem Gewicht. Es wird Zeit, über die Sache zu reden und nicht nur über Ansichten vom Gerede. Es ist Zeit, an angemessenes Handeln zu denken.
Kommentare 18
Was da an den Grenzen der EU und Europas geschieht, wird vor allem von den "Flüchtlingshelfern" als auch von den "Einwanderungsgesetzbefürwortern" von SPD&Grünen+Linken nicht mal Ansatzweise begriffen.
Es ist der Begin einer Völkerwanderung, die Willy Brandt in der Nord-Süd-Kommission bereits in den 1970ern kommen sah.
In dem dystopischen Roman 'Das Heerlager der Heiligen' wurde das in der dem Autor eigentümlichen Art und Weise dargestellt. Man muss sich nicht an der Ausmalung der Folgen dieser Völkerwanderung des Autors reiben sondern die eigentliche Botschaft verstehen.
Wer heute nicht die unisono als "Flüchtlinge" bezeichneten Menschenmassen abweisen und aus der EU fernhalten will, wird morgen keine sozialstaatliche EU mehr haben. So einfach ist das.
Es ist schwer zu sagen, was die Zukunft bringen wird und das hängt auch stark davon ab, welche Entscheidungen hier und anderswo getroffen werden. Aber bei einem bin ich mir absolut sicher: Flüchtlinge ("Menschenmassen") abzuweisen und aus der EU fernzuhalten (also: Gewaltanwendung, Mauern, Zäune, Minenfelder, was immer man sich ausdenken will) wird nicht funktionieren...
Es sind die Folgen einer verheerenden und kurzsichtigen Politik, bzw. einer absurden politischen Unvernunft, die sich immer nur an den nächsten Wahlergebnissen orientiert oder am eigenen Wohlergehen nach der politischen Karriere.
Es ist Unfähigkeit, die langfristigen Konsequenzen zu durchdenken und nicht zuletzt die gefährliche Mischung aus Mittelmäßigkeit in allem und einem Chauvinismus, der diese Mittelmäßigkeit in Überlegenheit umdeutet.
Seit Jahrzehnten wird gewarnt, dass die Menschen aus (Unter)Entwicklungsländern irgendwann ihrer Wertschöpfung folgen werden um ebenfalls dahin zu gelangen, wo diese Wertschöpfung letztlich abgegriffen wird. Es war Zeit genug, sich vorzubereiten und Entscheidungen zu treffen, die das Schlimmste hätte verhüten können. Jetzt ist die Zeit um und wie immer hat die Politik keine andere Antwort, als chaotischer, undurchdachter und blinder Aktionismus, der den Schaden eher vergrößert.
Wenn nicht endlich Wirtschaft und Politik dafür sorgen, dass ein gerechter Teil an erwirtschaftetem Wohlstand in den Ländern verbleibt und den Menschen zugute kommt, die ihn erwirtschaftet haben, werden die jetzigen Flüchtlingsströme kleine Vorhuten sein gegenüber der Menschenmasse, die Europa unaufhaltsam und unkontrollierbar überfluten wird.
Dann kann der "Stammtisch" noch so hysterisch schreien. Er wird untergehen im afrikanisch-asiatischen Sprachengewirr.
Wer beim Wort von der Völkerwanderung zu Zukunftsängsten neigt, sollte vielleicht mit der Vergangenheit anfangen, als Bayern und Preußen das Weite suchten.
Scharen von Deutschen und Europäern verließen in vergangenen Jahrhunderten ihre Heimat, weil außer Terror, Krieg und Armut auf diesem Kontinent nur noch wenig zu erwarten war. Bayern und Preußen fuhren nach New York, Toronto, Sydney, Buenos Aires oder Rio de Janeiro, dort gab es Frieden, Freiheit, Jobs und eine Zukunft, vielleicht sogar Verwandte. Sie hatten Wünsche und Träume im Gepäck wie diejenigen, die sich 2015 mit Schleppern und Smartphone vor köpfenden und bombenden Taliban oder Dschihadisten retten.
Hallo HALLMO,
wie naiv ist das denn? "Wer heute nicht die unisono als "Flüchtlinge" bezeichneten Menschenmassen abweisen und aus der EU fernhalten will, wird morgen keine sozialstaatliche EU mehr haben. So einfach ist das."
Niemand wird - auch nicht auf kosten eines massenmords an den grenzen des imperiums - diese menschen davon abhalten, aus- bzw. woanders einzuwandern! So einfach ist das!
Was dann mit uns geschieht, hängt davon ab was wir daraus machen.
Zunächst wäre aber einzusehen, dass zwei jahrhunderte intensiver kolonialer ausplünderung plus klimawandel in vielen teilen der welt eine unerträgliche situation geschaffen haben, bei der es für die betroffenen unerheblich ist, ob sie zuhause sterben oder an den EU-aussengrenzen. Immerhin ist die chance grösser, in die EU zu gelangen, als zuhause zu überleben...
HALLMO u.a. - wir alle werden mit diesen menschen unseren wohlstand teilen müssen. Und dabei ist es wichtig zu begreifen, dass die allermeisten zuwanderer gern zu "unserem" wohlstand beitragen wollen, der nämlich dann auch der "ihre" wäre.
Deshalb sind die sog. wirtschaftsflüchtlinge das eigentliche potential. Junge menschen, die aus ihrem leben etwas machen wollen - was will der alterende kapitalismus eigentlich besseres?
Jetzt müssen es erst noch die poltiker und die HALLMOs dieser welt begreifen; aber das wird schon - unter dem druck der menschenmassen!
Der "alternde" Kapitalismus braucht, wenn er nur tatsächlich altern würde, einen schnellen Tod, keine Frischzellenkur.
HALLMO u.a. - wir alle werden mit diesen menschen unseren wohlstand teilen müssen. Und dabei ist es wichtig zu begreifen, dass die allermeisten zuwanderer gern zu "unserem" wohlstand beitragen wollen, der nämlich dann auch der "ihre" wäre.
Ging zwar nicht an mich ,aber genau so ist es.
Dann kann der "Stammtisch" noch so hysterisch schreien. Er wird untergehen im afrikanisch-asiatischen Sprachengewirr.
Ein Stammtisch schimpft den anderen Stammtisch.
Hat ihre Antwort damit zu tun, dass ich mich abfällig über deutsches Kleingeistertum geäußert habe und mich damit ebenfalls auf dieses Niveau begab?
Glauben Sie mir, ich würde dieses Kleingeistertum gerne ignorieren, wenn nicht ein guter Teil der Verantwortung im übersteigerten Anspruch des hiesigen Verbrauchers läge, der nur den niedrigen Preis einer Ware sieht, die Abwertung von Arbeitskraft dahinter aber nicht sehen will.
@Heinz Lambarth 11.08.2015 | 12:15
@Magda 11.08.2015 | 20:11
Die Statistiken und Untersuchungen der Demographie- und Rentenexperten zeigen, dass der bisherige Zuzug der letzten 60 Jahre der deutschen Gesellschaft nicht nur nicht genützt, sondern sie belastet und gar geschädigt hat. Das ist mittlerweile in der ganzen deutschen Gesellschaft sichtbar.
In früheren Jahren beschäftigte man sich mit der Gestaltung der Zukunft, damit die Kinder, Enkel und Urenkel es mal besser haben.
Heute sind die Medien voll mit Berichten über die "Bereicherungen" des Zuzugs, die die deutsche Gesellschaft ertragen muss, wie bspw. Clan-Auseinandersetzungen, massive Angriffe auf die Polizei, aber auch auf Rettungskräfte, Feuerwehren usw. usf. .
Das ist ein einziger Horror für Menschen, die noch eine intakte deutsche Gesellschaft kennen gelernt haben.
Der in Deutschland erarbeitete Wohlstand wurde und wird über die Sozialkassen an die in die Sozialkassen Zugezogenen verteilt. Und durch die Agenda 2010 von SPD&Grünen wurde dieser Wohlstand von unten nach oben an die richtig Reichen weitergegeben.
Dafür haben wir jetzt Hartz-IV, Niedriglöhne, öffentliche Suppenküchen, massenhaft Obdachlose und Bettler, Lebensmitteltafeln ...
Wenn das kein Fortschritt ist :-(
Hat jemand eine Statistik über die aktuelle Flüchtlingszusammensetzung?
Ich finde es unerträglich, wenn Balkan"flüchlinge", echte Kriegsflüchtlinge und Wirtschaftsflüchtlinge in einen Topf geworfen werden.
"Niemand wird - auch nicht auf kosten eines massenmords an den grenzen des imperiums - diese menschen davon abhalten, aus- bzw. woanders einzuwandern! So einfach ist das!"
Nein, das ist genauso albern. Man könnte sie einfach wieder zurückfahren und fertig. Und Grenzen und Zäune erhöhen erheblich die Schleuserkosten. Es werden immer welche schaffen, nur erheblich weniger.
"Was dann mit uns geschieht, hängt davon ab was wir daraus machen."
In der Tat und du bist sehr optimistisch?
"Zunächst wäre aber einzusehen, dass zwei jahrhunderte intensiver kolonialer ausplünderung plus klimawandel in vielen teilen der welt eine unerträgliche situation geschaffen haben, bei der es für die betroffenen unerheblich ist, ob sie zuhause sterben oder an den EU-aussengrenzen."
Ich habe persönlich weder den Klimawandel gemacht, noch irgendwelche Kolonien ausgebeutet. Ich bin auch nicht in der Verantwortung, wenn gerade in den armen Ländern die Leute sich wie Karnickel vermehren.
"Immerhin ist die chance grösser, in die EU zu gelangen, als zuhause zu überleben..."
Deshalb zahlen die ja auch tausende Euro an Schleuser. Die Armen...
Und welchen Wohlstand willst du teilen? Die Welt ist groß und arm, sollen die alle ins ohnehin übersiedelte Deutschland kommen? Vielleicht jahrzehntelang?
Dann passiert dasselbe wie bei Landflucht, die Lebensqualität aller sinkt. Die Fluchtländer bluten aus, in den Fluchtzielen treten sich die Leute gegenseitig auf die Füße.
"Und dabei ist es wichtig zu begreifen, dass die allermeisten zuwanderer gern zu "unserem" wohlstand beitragen wollen, der nämlich dann auch der "ihre" wäre."
Ja, wir haben Arbeit ohne Ende. Die Löhne steigen schon wie blöde. Und gerne nehmen wir ganze Familienverbände in unsere gesetzlichen Krankenkassen auf. In D herrscht ja große Gleichheit, da zahlen alle die Rechnung, die Reichen, bessergestellte Beamte, Politiker, ähm, na gut, doch nicht. Nur wieder Leute wie ich.
"welt begreifen; aber das wird schon - unter dem druck der menschenmassen!"
Du hast offenbar nicht den Schimmer einer Ahnung, wie Menschen reagieren, wenn man sie überfordert und versucht zu überfahren.
Zustimmung. Und ich fürchte es wird bald vergessen sein, dass es mal sowas wie eine intakte und soziale deutsche Gesellschaft gab. Die Leute gewöhnen sich an den Status Quo. Ich unterstelle sogar, dass genau das beabsichtigt ist.
Menschen die einmal hier sind, wird man nicht wieder los, selbst wenn sie sich als problematisch erweisen. Sind es zuviele Problematische, oder auch nur zuviele Ungebildete oder auch nur Arme, schadet das der Gesellschaft, so wie die Banlieus Frankreich schaden. Soziale und ethnische Konflikte, steigender Rassismus usw. teile und herrsche funktioniert nirgends besser...
Ja und wo ist jetzt die Parallele?
D ist nicht New York in einem vergangenem Jahrhundert. Wir lassen Leute die hier aufgenommen werden nicht verhungern und ohne Krankenversicherung darben, nicht? Zumindest nicht bisher.
Wir sind auch nicht Amerika, mit endlos Land. Selbst heutzutage haben die USA nur ein sechstel der Bevölkerungsdichte von Deutschland. Schicken wir die Flüchtlinge doch den Kriegstreibern in Übersee.
Und an ausreichend Jobs und Zukunft glauben auch nur die Fachkräftemangel-Lügner und Lohndrücker...
"die sich 2015 mit Schleppern und Smartphone vor köpfenden und bombenden Taliban oder Dschihadisten"
Wenn es nur die wären...
In rechteren Kreisen werden übrigens bereits munter (mehr und weniger plausible) Verschwörungstheorien ausgebrütet. Von einer bewussten Auslöschung der weißen Rasse bis zur gewollten Zuwanderung von 50 Mio Schwarzen wegen der Demographie. Angeblich soll der IS gedroht haben, Europa mit Flüchtlingen zu fluten (so wie seinerzeit Gaddafi Geld damit erpresste). Und das "Fuck the EU" der Amerikaner ist auch nicht vergessen, ebensowenig wie deren Gezündel in den Kriegsgebieten...
@Rupert Rauch.
Die Parallele liegt in den Motiven, Wünschen und Träumen der Flüchtlinge und Auswanderer, die vieles bewirkt haben, nur nicht den Untergang des Abendlandes
Dass sie diese Parallele nicht erkennen, wundert mich nicht.
Bitte benutze doch den Antwortbutton unter dem Kommentar, damit ich auch sehe, dass mir jemand geantwortet hat.
"Die Parallele liegt in den Motiven, Wünschen und Träumen der Flüchtlinge und Auswanderer"
Die ich vollkommen verstehen kann. Wie gesagt, die Welt ist groß und arm, ich würde auch lieber in Deutschland leben, als sagen wir mal im Kongo oder in Ex-Jugoslawien. Das heißt nicht im Umkehrschluß, dass wir die alle hierher kommen lassen sollten. Oder doch?
Zumal das Bildungsniveau vermutlich sehr heterogen ist. Deutsche Flüchtlinge der jüngeren Geschichte konnten zumindest lesen und schreiben.
"die vieles bewirkt haben, nur nicht den Untergang des Abendlandes"
Gerüchteweise hat die Völkerwanderung nach Amerika die Autochtonen dort fast ausgerottet und den Rest in unfruchtbare Reservate vertrieben?
Aber es gibt auch andere Beispiele, die historische "Völkerwanderung" selbst ist eine Geschichte der Gewalt.
Sucht man nach ethnischen und sozialen Konflikten, reicht es nach Frankreich oder GB zu schauen.
Aber ich will gar nicht so negativ sein.Ich habe nichts gegen maßvolle Zuwanderung und gescheite Integration. Die jetzigen Zustände drohen das aber zu sprengen, ebenso wie unsere Sozial- und Krankensysteme.
Sehr geehrter Herr Rupert Rauch,
alles, was aus Ihren einlassungen ersichtlich wird, ist beklemmend und abstossend: latenter rassismus & chauvinismus, realistätsverlust und vor allem ein übermass an aroganz.
Aber hauptsache Sie glauben weiterhin, dass nur Sie allein "den schimmer einer ahnung" haben. Dass Sie uns ihre lebensweise mit dem klimawandel und neo-kolonialer ausplünderung nichts zutun haben, nehme ich anerkennend zur kenntnis - und schliesse daraus, dass Sie nicht in d-land, sondern unter einfachen verhältnissen in der Dritten Welt leben, richtig?
@Heinz Lambarth.
Danke für die klare Intervention. Der sich gemäßigt gebende Rassismus unterscheidet ja gerne zwischen Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlingen. Dabei zeigt uns gerade das Beispiel Afrika, dass die Wirtschaftspolitik, die die EU (nicht nur) dort betreibt, den Unterschied zwischen Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlingen bald obsolet machen wird, weil sie den Menschen die Existenzgrundlagen entzieht und ihnen gar keine andere Wahl als die Flucht ins vermeintlich gelobte Land Europa lässt.