Reißleine ziehen!

Arbeitsmarktreform Die Arbeitsmarktreform der Regierung muss im Vermittlungsverfahren dringend nachgebessert werden. Denn bisher geht es nur ums Sparen

Mit ihrem Gesetzentwurf „Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt“ will Arbeitsministerin Ursula von der Leyen einmal mehr ihre Reformfähigkeit unter Beweis stellen. Gegen den Widerstand der Opposition hat sie ihn mit der schwarz-gelben Mehrheit durch den Bundestag „geboxt“. Doch hat der Bundesrat der Regierung einen Strich durch die Rechnung gemacht und den Gesetzentwurf gestoppt.

Zwar sind die Ziele des Gesetzes richtig: Verringerung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente, höhere Wirksamkeit der Arbeitsmarktpolitik, mehr Individualität bei der Vermittlung. In Wirklichkeit geht es der Bundesregierung jedoch um massive Einsparungen. Bis 2015 soll die Arbeitsmarktpolitik acht Milliarden Euro weniger kosten. Die Länder kritisieren dabei vor allem die gravierenden Verschlechterungen beim Gründungszuschuss. Allein hier sollen bis 2015 fünf Milliarden Euro gekürzt werden. Dabei ist dies eine der wenigen wirksamen Maßnahmen, um langzeitarbeitslosen Menschen den Weg in eine berufliche Tätigkeit zu ermöglichen. Auf heftige Kritik der Länderkammer stößt zudem, dass die Bundesregierung die Ausbildungsförderung für schwer vermittelbare Jugend­liche sowie die Eingliederungszuschüsse für ältere Arbeit­nehmer erheblich stutzen will.

Es geht nicht nur um Details

Der Gesetzentwurf ist nicht zustimmungsbedürftig. Doch kann der Bundesrat mit der Überweisung an den Vermittlungsausschuss Zeit für Veränderungen gewinnen. Angesichts der eskalierenden Finanzkrisen in den überschuldeten Euroländern sowie drohender Bankenpleiten kommt dieser Entscheidung besondere Bedeutung zu.

Es geht längst nicht mehr um „Details“ der Arbeitsmarktpolitik. Denn von der Leyen war eilfertig bereit, im Rahmen des 80 Milliarden schweren Sparpakets der Bundesregierung bis 2013 einen Kürzungsbeitrag von 30 Milliarden Euro zu Lasten der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik zu erbringen. Dabei entfallen auf die Bundesagentur für Arbeit allein 16 Milliarden Euro. Finanziert werden soll so vor allem das erste Rettungspaket für die Banken nach der Lehman-Pleite. Die Kürzungen aber treffen vornehmlich Arbeitslose, Familien und Alleinerziehende, während sich die Belastungen der Wirtschaft – Brennelementesteuer und Bankenabgabe – in Luft auflösen.

Die Proteste der Menschen in den überschuldeten Euroländern gegen die wirtschaftlich und sozial unverantwortlichen „Knebelungen“ durch die erzwungenen Sanierungen der öffentlichen Haushalte haben inzwischen auch die Bundes­republik erfasst. Die Wut der Menschen richtet sich vor allem gegen Ohnmacht, Ratlosigkeit und hektischen Aktionismus der Regierungen, die von einer Finanzkrise zur nächsten getrieben werden. Die Bundesregierung muss gezwungen werden, endlich die Reißleine zu ziehen und die sich immer schneller drehende Spirale der Umver­teilung von unten nach oben endlich zu stoppen. Dazu müssen die unverantwortlichen Kürzungen bei der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik auf­gehoben werden.

Im Gesetzentwurf sind zudem konkrete Korrekturen erforderlich. Beratung und Vermittlung müssen ausgebaut werden. Und die inhumanen Ein-Euro-Jobs sind durch öffentlich geförderte Beschäftigung zu Tarifbedingungen und mit sozialer Sicherung zu ersetzen.

Ursula Engelen-Kefer war früher Vizechefin und Sozialexpertin des Deutschen Gewerkschaftsbunds. Heute arbeitet sie als Autorin und Dozentin

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