Das Timing konnte nicht besser sein: Simultan zur Katastrophe im Nahen Osten präsentiert sich in Washington eine ominöse neue Pro-Israel-Lobby. Amerikas christliche Zionisten halten ihre Zeit für gekommen. Apokalyptisch gestimmte Endzeitgläubige aus fast allen Bundesstaaten haben sich in der Organisation Christians United for Israel zusammengeschlossen.
Laut Presseerklärung soll die Allianz vorrangig dazu dienen, Brücken nach Israel zu schlagen, um das "Überleben der jüdisch-christlichen Zivilisation zu sichern". Doch mindestens genau so wichtig ist der neuen Lobby, dass Dutzende ihrer einst versprengten christlich-zionistischen Grüppchen nun eine eigene Zentrale im Zentrum der Macht etabliert haben. Ein nationales Forum, auf dem in Sachen Israel künftig mit einer Stimme gesprochen werden soll.
Am Sinn ihres neuzeitlichen Kreuzzugs hegen die christlichen Zionisten keinerlei Zweifel: Gott habe dem jüdischen Volk das Land Israel zum ewigen und ungeteilten Besitz gegeben, behaupten sie. Jeder Verstoß, jede geografische Korrektur werde göttliche Strafen nach sich ziehen. Dass die in der Bibel beschriebenen Grenzen des betreffenden Gebietes über den heutigen Staat Israel sowie die von ihm besetzten Palästinensergebiete weit hinausgehen und 70 Prozent des syrischen Territoriums und einen großen Teil Jordaniens einschließen, stimmt die Zionisten nicht bedenklich, sondern euphorisch. Sie glauben, jeder neue Nahost-Konflikt bringe sie der ersehnten Endzeit näher.
Vom US-Kongress fordern die christlichen Zionisten eine verstärkte Unterstützung des - wie es heißt - bedrängten Israel. "Der Islam und ein neuer Hitler bedrohen unseren treuen Freund und Verbündeten", verkünden die nach Washington geeilten "Christen für Israel" bei ihrem Sturm auf Senatoren- und Abgeordnetenbüros. Es gibt zwar seit Jahrzehnten in Gestalt des American Israel Public Affairs Committee (AIPAC) eine mit dem Kongress eng verbundene Israel-Lobby, doch lässt sich der Aufmarsch der Fundamentalisten für die Republikaner bestens für die heraufziehenden Kongress-Wahlen vermarkten. Die Kritik an Bushs Irak-Politik schallt unüberhörbar durchs Land, der Irak-Krieg wird nur noch von sturen Hardlinern unterstützt. Da erfreut das offizielle Washington jede Aktion, die es erlaubt, das Feindbild Islam aufzupolieren.
Für den fotogenen Schulterschluss mit Amerikas bizarren Telepriestern und Vorreitern der Apokalypse wie Pat Robertson oder Gary Bauer ist sich in Washington denn auch niemand zu schade.
Der 66-jährige John Hagee stammt aus Texas und leitet in San Antonio eine Megakirche mit 18.000 Mitgliedern. Hagee hat Israel mehr als 20 Mal besucht und würzt seine Predigten gern mit biblischen Endzeit-Prophezeiungen. In seinem jüngst erschienenen Buch Jerusalem Countdown stützt er sich auf Informationen, die er von israelischen Geheimdiensten erhalten haben will. Sie hätten ihm offenbart, dass Teheran noch vor dem 6. Oktober 2006 im Besitz einer Atombombe sein werde und dass al-Qaida plane, Amerika mit sieben Nukes in die Knie zu zwingen. George Bush kommen solche Horror-Geschichten gelegen, ein Empfang der "Vereinigten Christen für Israel" im Weißen Haus fiel überaus herzlich aus.
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