Renten rauf, Riester runter!

Alter Die Finanzkrise hat auch die private Vorsorge zerschossen. Doch das Beispiel Österreich zeigt: Ein nachhaltiges öffentliches Rentensystem ist möglich
Ausgabe 39/2018

Derzeit sieht es so aus, als würde die Große Koalition den über lange Jahre verfolgten Kurs in Sachen Altersvorsorge etwas korrigieren: Das Rentenpaket soll das Rentenniveau bis 2025 stabilisieren. Für die Zeit danach soll die Kommission „Verlässlicher Generationenvertrag“ Vorschläge machen. Endlich wird wieder über die Leistungen der öffentlichen Rentenversicherung nachgedacht und nicht bloß auf Beitragssätze geschielt!

Doch ein weiterer zentraler Aspekt bleibt vorerst noch unangetastet: Das Dogma, dass künftige Rentnerinnen und Rentner die entstehende Rentenlücke durch staatlich geförderte private Vorsorge schließen sollen, bleibt bestehen. Obwohl sich seit der Finanzkrise 2008 Ernüchterung breitgemacht hat, die Niedrigzinsphase zeigt, dass frühere Renditeerwartungen zu optimistisch waren und Verbraucherschützer die Transparenz des Marktes und die Kosten der Produkte kritisieren. Nun mag es schwierig sein, die „Riester-Rente“ einfach zu stoppen und abzuwickeln. Dennoch bleibt die Frage, ob es überhaupt notwendig war, den Weg der Teilprivatisierung zu beschreiten. Die Antwort darauf ist entscheidend für die Beurteilung heutiger Handlungsspielräume.

Den Reformen zu Beginn des Jahrtausends lag die Annahme zu Grunde, dass sich durch die Alterung der Gesellschaft das Verhältnis von jungen und alten Menschen verschiebt. Das würde zu einem Anstieg der Beitragssätze in der Rentenversicherung in einem Umfang führen, der als untragbar galt. Untragbar auch, weil über die Beitragssätze die Lohnnebenkosten steigen und damit Arbeit zu teuer würde. Gleichzeitig vertraute man auf dauerhaft hohe Renditen für Kapitalanlagen.

Diese Annahmen waren und sind jedoch in mehrfacher Hinsicht problematisch. Rentenpolitisch ist nicht das Verhältnis von Alt zu Jung die relevante Größe, sondern das Verhältnis von Leistungsempfängerinnen und -empfängern zu Beitragszahlerinnen und -zahlern. Dieses Verhältnis kann durch eine gute Arbeitsmarktpolitik beeinflusst werden, die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung fördert und brachliegende Potenziale nutzt. Die Niedrigzinsphase zeigt, dass die kapitalgedeckte Altersvorsorge Schwächen hat. Zudem ist offen, ob nicht auch Kapitalmärkte auf die Alterung der Gesellschaft reagieren werden. Und zur Generationengerechtigkeit: Jüngere Generationen werden durch niedrigere Beiträge zur öffentlichen Sozialversicherung zwar „entlastet“, aber sie „erben“ auch schlechtere öffentliche Leistungen und die Kosten der privaten Vorsorge.

Pensionist, -in (österr.)

Das mag alles ziemlich abstrakt klingen – es geht aber auch anschaulicher. In Österreich hat die Politik trotz vieler Reformen an der zentralen Rolle der öffentlichen Rentenversicherung festgehalten, in die über einen langen Zeitraum alle Beschäftigten (auch die Beamten!) und Selbstständigen einbezogen wurden. Zusätzliche private Vorsorge ist dort nicht notwendig. Im Ergebnis liegen die Rentenleistungen deutlich über denen in Deutschland. Der Beitragssatz ist mit 22,8 Prozent zwar höher als in Deutschland – der Unterschied relativiert sich aber, wenn die private Vorsorge hierzulande mitgerechnet wird. Zur Finanzierung trägt ebenso wie in Deutschland ein Zuschuss aus dem Bundeshaushalt bei. Und das österreichische System umfasst zudem noch eine Art Grundrente für Menschen mit geringen Bezügen aus der Rentenversicherung.

Ist dieses System nachhaltig? Die Europäische Kommission beurteilt die künftige Ausgabenentwicklung als weitgehend stabil. Ein Vergleich mit Deutschland zeigt zudem, dass Österreich ökonomisch nicht schlechter gefahren ist als Deutschland. Die höheren Beiträge haben dem „Standort Österreich“ offensichtlich nicht geschadet. Das Beispiel Österreich zeigt: Nachhaltigkeit hat auch eine gesellschaftliche Komponente. Ein Rentensystem ist dann nachhaltig, wenn es einen breiten Konsens über seinen Sinn und Zweck gibt. Höhere Beiträge sind dann tragbar, wenn dem ein Versprechen auf angemessene Leistungen gegenübersteht. Für die deutsche Politik ist das eine gute Nachricht: Die Handlungsspielräume in der Rentenpolitik sind viel größer als vielfach angenommen!

Florian Blank leitet das Referat Sozialpolitik des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung und beschäftigt sich mit den Rentensystemen Österreichs und Deutschlands

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