Restlose Aufklärung

Kommentar Zum Tode von Hannelore Kohl

Je mehr die "Affäre Kohl" eskalierte, desto mehr habe ich mich gefragt, wie Hannelore es an der Seite eines Mannes aushält, der nicht nur in seine Körpermasse hinein, sondern auch um sie herum alles verdrängt. Ob Gesetz und Recht, ob die auf beides vereidigte Politik: Sie wurden durch ihn auf eine Selbstbehauptung reduziert, die alles ins Dunkel verwies. Denn wie und wo immer das von ihm selbst lancierte Licht der Öffentlichkeit auf ihn fiel, jeder noch so lange, von ihm selbst geworfene Schatten stellte stets die Anderen ins Zwielicht, nicht ihn. Mit Hannelore an seiner Seite, die sich für ihn verbürgte, platzierte er sich als Bürger, dessen Ehrenwort jedes Licht verträgt.

Nun hat sich Hannelore laut ihren Abschiedsbriefen aufgrund einer "Lichtallergie" das Leben genommen, aufgrund einer Krankheit also, die das Licht zu scheuen aufgibt. Weil sie schmerzhafte Bläschen, Pusteln, Entzündungen auf der Haut hervorruft, die zu vermeiden ein "komplettes Dunkel" einzige Therapie gewesen wäre. Offensichtlich hat Hannelore das sprichwörtliche "Black out" ihres Gatten, getreu dem, dass die Gattin ihn zu stützen und zu spiegeln, dass sie das von ihm Abgespaltene und auf sie Abgeladene emotional zu verarbeiten hat, in dem Maß übernommen, wie sie nun in jenes "komplette Dunkel", selbstgewählt, gegangen ist. Wie sonst lässt sich die zeitliche Übereinstimmung ihres Selbstmordes mit dem Urteil des Verwaltungsgerichts erklären, das ab sofort die Öffnung von Stasi-Akten "zeitgeschichtlich wichtiger Personen" im Namen eines "Opferschutzes" verbietet, der die Täter meint? So hat die Schwärze des "Black out" Helmut Kohls über eine Rot-Grün-Regierung gesiegt.

Wenn aber Krankheit von den Lebensbedingungen abhängig ist, dann gilt entweder, dass Hannelore um so allergischer auf das Tageslicht reagierte, je mehr sie ins Dunkel der Zeitgeschichte blickte, oder aber es gilt, dass sie komplett im Dunkeln gehalten wurde. Ob so oder so, die Wahrheit liegt offen auf dem Tisch des Hauses der Bundesrepublik, an dem jetzt ein anderes Ehepaar sitzt. Hannelore Kohls "restlose Aufklärung" spricht aus, dass die Ehe- eine Machtstruktur ist: Im Schatten steht die Frau, die sich am Ende selbst in dem Maße abschafft wie die Zeitgeschichte unterschlagen wird, ohne dass deshalb ein anderes Licht auf den Ehemann fiele. Im Gegenteil: In der Schwärze seines "Black out" scheint die privat gerechtfertigte Trauerpose auf, durch die er nun auch öffentlich rehabilitiert zu sein scheint. Womit sich das Täter-Opfer-Verhältnis verkehrt hat.

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden