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Olaf Scholz
Bundeskanzler*in
Ob Scholz Kanzlerin kann, muss er noch unter Beweis stellen: Den Weg dorthin aber scheint ihm seine maximale Drögheit zu ebnen. Weil sie als Verlässlichkeit und Vertrauenswürdigkeit missverstanden wird. Offenbar sprechen die deutsche Wählerin und der deutsche Wähler darauf besonders an. Nun gut, dann soll Scholz auch genau dies tun: Die menschgewordene Versicherung sein, die erst ermöglicht, dass sich der Schwerpunkt der deutschen Politik langsam, aber deutlich nach links verschiebt. Ein neues Wohlfahrtsstaatsmodell? Abschied von der schwäbischen Hausfrau? Endlich Klimaschutz mit Substanz? Olaf Scholz wird all das vertreten und damit hausieren gehen, bis der Linksruck so dröge und verlässlich scheint, als hätten wir ihn immer schon genau so gewollt. Pepe Egger

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Annalena Baerbock
Äußeres und Erdgemeinschaft
Nein, Annalena Baerbock würde als Außenministerin wohl nicht dafür werben, Deutschlands NATO-Mitgliedschaft aufzukündigen. Sie würde auch keine neue Ostpolitik anstrengen und keine Ära feministischer Außenpolitik beginnen, so wichtig das der einen oder dem anderen scheinen mag. Aber warum brauchen wir dann überhaupt R2G? Für eine Außenpolitik ohne eigene Akzente könnte doch einfach Heiko Maas (SPD) im Amt verbleiben? Damit würde man Baerbock allerdings unrecht tun. Denn sie wird, endlich, die Klima-Außenpolitik beginnen! In Europa, mit den USA, ja auch gegenüber Russland. Nach China wird sie bald fahren, um Klimawende zu lernen, und so das Ost-West-Denken aufsprengen. Mit Baerbock wird Außenpolitik endlich zur Weltinnenpolitik gegen die Erderwärmung. Pepe Egger

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Janine Wissler
Würde und Arbeit
Nach 16 Jahren des Protests gegen Hartz IV schafft Janine Wissler das System ab – mit Zugeständnissen an SPD und Grüne: Im Dezember 2021 wird der Regelsatz zunächst um nur 50 Euro erhöht, Sanktionen und Vermögensprüfung bleiben ausgesetzt. Bis 2024 führt R2G dann das grüne Modell der sanktionsfreien Garantiesicherung ein: 603 Euro Regelsatz plus „Anschaffungen der Würde“ wie Waschmaschine oder Laptop. Bei der Kindergrundsicherung kann sich die Linke mit einem Höchstsatz von 630 Euro jedoch durchsetzen. Der Mindestlohn wird auf 12 Euro erhöht, der Lohn für Leiharbeit an den der Festangestellten angepasst. Die „Würde-Kommission“ prüft zudem ein Modell für ein Mindesteinkommen sowie das Recht auf mobiles Arbeiten und auf Nichterreichbarkeit. Die BürgerrentePlus tritt 2023 in Kraft. Elsa Koester

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Kevin Kühnert
Wirtschaft und Gemeinwohl
Viele Beobachter hatten damit gerechnet, dass Scholz den Parteilinken einbinden würde, etwa als Staatssekretär im Bildungsministerium. Aber als Minister? Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall äußert sich bestürzt, Bild fragt besorgt: „Wird Scholz jetzt Stamokap-Kanzler?“ Kühnert lässt das kalt. Um die ökologische Transformation der Industrie voranzutreiben, schlägt er die Vergesellschaftung von Daimler und BMW nach einem erweiterten VW-Modell vor. Staat, Belegschaften, Umwelt- und Verbraucherverbände sollen als neue Gesellschafter in die privatwirtschaftlich geführten Firmen eintreten. Die Produktion kann so besser mit der Energie- und Verkehrswende verzahnt werden. Die Entschädigung der Anteilseigner erfolgt analog zum Kohleausstieg. Wolfgang Michal

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Sahra Wagenknecht
Flucht und Entwicklung
Entwicklungsministerinnen und -minister wirken in der deutschen Öffentlichkeit gerne mal wie Weltsolidaritätsbeauftragte bei der Sonntagspredigt. Eigentlich müsste man! Eigentlich sollten wir nicht nur an uns denken! Sahra Wagenknecht wäre eine Entwicklungsministerin neuen Schlags. Eine, die mediale Präsenz genug hätte, um ein wenig mehr Druck aufbauen zu können. Wofür? Sie wird nicht auf Freihandel mit Afrika setzen, sondern es afrikanischen Ländern ermöglichen, ihre Wirtschaft mit Zöllen zu schützen. Gut für den europäischen Exportmarkt wäre das vielleicht nicht. Für die Landwirtschaft und Fischerei auf dem afrikanischen Kontinent womöglich schon. Aber hey, eigentlich sollten wir ja auch nicht nur an uns denken. Klaus Raab

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Robert Habeck
Finanzen und Umverteilung
Dem ersten Grünen-Finanzminister gelingt gleich ein Coup: Er holt mit Gerhard Schick und Fabio De Masi zwei linke Wirtschaftsstars als seine Staatssekretäre zurück in die Politik. Das Trio folgt dem Motto „Von Biden lernen, heißt siegen lernen“, setzt voll darauf, dass die Bevölkerung merkt, was es heißt, wenn der Staat die Investitionsbremse lockert. Die Schuldenbremse bleibt – dem Namen nach. Doch schon von 2023 an werden Investitionen in Vermögenswerte des Staates, etwa Schulgebäude, und in alles, was den Klimawandel drosseln könnte, nicht mehr angerechnet. Die Union kommt um eine Zustimmung zur Änderung des Grundgesetzes nicht herum, die Klima-Schulden-Idee stammt ja von Markus Söder, der jetzt noch Sonder-Investitionsmilliarden für den Freistaat Bayern abstaubt. Sebastian Puschner

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Anton Hofreiter
Verkehr und Stadtklima
Ein standfester grüner Verkehrsminister hat vor allem eine Aufgabe: Die Deutschen aus dem Autoland herauszuführen. Anton Hofreiters Gegner behaupten natürlich, jetzt würde ihnen das Auto verboten, aber das ist Unsinn. Der Biologe, der beim Wort „Drohne“ zunächst an das männliche Bienentier denkt, baut keine Utopie – sondern gleicht zunächst nur gewaltige Privilegien des Autos aus: Subventionen von Fahrrädern statt von Autos, Radwege statt Schnellstraßen, kollektiver öffentlicher Verkehr bis in die entlegensten Winkel der Republik. Hofreiters Projekt wird die nachholende Entwicklung von Chancengleichheit für Rad und Bahn. Noch fallen Konservative beim Wort „Lastenrad“ in Ohnmacht, doch der Bayer wird auch sie zu nehmen wissen: mit E-Mega-SUVs. Klaus Raab

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Rolf Mützenich
Verteidigung und Klimafolgen
Für sich selbst lehnt „Mütze“ den Großen Zapfenstreich als Ehrung ab, öffentliche Gelöbnisse gibt’s künftig nur noch am 20. Juli. Die Einsätze der Bundeswehr in Mali und im Irak stellt er infrage, überteuerte Rüstungsprojekte storniert er. Viele Generäle auf der Bonner Hardthöhe fragen sich, ob sie noch gebraucht werden. Mützenich beruhigt sie. Im Rahmen einer UN-Friedenstruppe seien sie willkommen, auch als Schnelle Eingreiftruppe bei Katastrophen würden sie gebraucht. Aufsehen erregt vor allem Mützenichs 5-Punkte-Plan, in dem er die Weiterentwicklung der OSZE zu einem die NATO ersetzenden „System kollektiver Sicherheit“ bis 2040 skizziert. Sein erster Erfolg: Die USA ziehen ihre letzten Atombomben aus dem rheinland-pfälzischen Fliegerhorst Büchel ab. Wolfgang Michal

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Manuela Schwesig
Gesundheit und Pandemie
Es fällt der Wahlsiegerin in Mecklenburg-Vorpommern nicht leicht, ihr Amt als Ministerpräsidentin gegen ein Berliner Ministerium einzutauschen. Weil die Partei-, Länder- und Geschlechterarithmetik ihr das Gesundheitsressort jedoch anträgt, ergreift Schwesig die Chance, die aus dem Ruder gelaufene Ökonomisierung der Gesundheit zurückzudrängen. Eine wichtige Etappe: die Abschaffung der Fallpauschalen sowie die Einführung von verpflichtenden Pflegepersonal-Untergrenzen. Die Verbeamtung von Pflegekräften sorgt für den nötigen Nachwuchs. Schwesig fährt in Sachen Corona einen harten Kurs, gewinnt aber Zustimmung für ihr Bürgerklinik-Programm. Warum die Kosten im Gesundheitssektor trotzdem nicht explodieren? 2024 kommt die Bürgerversicherung für alle. Pepe Egger

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Aminata Touré
Inneres und Heimatwende
Wenn Innenminister zwischen Freiheit und Sicherheit wählen müssen, nehmen sie Sicherheit. Wenn sie eine neu ankommende Gruppe von Menschen sehen, halten sie nach denen Ausschau, die gefährlich werden könnten, was mitunter die ganze Gruppe spürt. Warum tun sie das? Weil das zu ihrem Amt gehört. Es wird Zeit, dass den Job eine macht, die weiß, wie es ist, so beäugt zu werden. Aminata Touré, Schleswig-Holsteins Landtagsvizepräsidentin, lebte als Kind in einer Geflüchtetenunterkunft, hat den Blick von außen auf ihre Heimat. Schon das ist viel wert, auch wenn sie Abschiebungen zunächst nur reduzieren kann. Dafür gelingt die Beschleunigung von Einbürgerungsverfahren. Besondere Projekte? Vielleicht wäre ja eine Studie interessant, wie viel Rassismus es bei der Polizei gibt? Klaus Raab

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Saskia Esken
Bildung und Antifa
Eine Open-Source-Plattform mit länderübergreifend zugänglichen Lernmaterialien, ein Bundesprogramm für Schulsozialarbeit, eine kräftige BAföG-Erhöhung – es mangelt der neuen Bundesbildungsministerin nicht an guten Ideen. Doch Saskia Esken verheddert sich immer wieder im Kompetenzdschungel des Bildungs-Föderalismus, wird bald mit ihrer glücklosen Vorgängerin Anja Karliczek verglichen; die habe immerhin nicht auf Antifa-Demos rumgehangen, giftet die FDP. Ein der Bild gesteckter Besuch bei Bundeskanzlerin a. D. Angela Merkel in der Uckermark bringt die Wende, seit den Verhandlungen über Corona-Bildungspakete sind beide Freundinnen, Merkel stärkt Esken den Rücken. Deren erster Hit wird eine vom Betrieb unabhängige Bildungszeit für alle, ähnlich dem Elterngeld. Sebastian Puschner
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