Richtigstellung

Witzig Zu Rudolf Walther: Bewährte Helden, "Freitag" 27/28

In seinen Ausführungen über die "nächste Etappe der Rechtschreibreform" macht Herr Walther im Freitag vom 8. Juli 2005 viele Witze, vor allem über mich. Gemäß einer herkömmlichen Unterscheidung sind Witze entweder gut oder schlecht; besonders schlecht sind die Witze, zu deren Verfertigung Tatsachen verkrümmt werden. Ich klopfe vier solcher Verkrümmungen gerade.

Erstens: Herr Walther veröffentlichte im Februar des letzten Jahres in der taz einen Beitrag zur neuen Rechtschreibung. In einem Leserbrief hielt ich meine andere Sicht der Dinge fest und schickte ihn, zur Kenntnisnahme, auch Herrn Walther. Die taz veröffentlichte meinen Brief nicht, dafür erhielt ich ein Schreiben Herrn Walthers, gefüllt mit witzigen Bemerkungen über mich. Eine davon hat Herr Walther nun der Leserschaft dieser Zeitung mitgeteilt. Das ist doppelt unsportlich: Herr Walther zitiert Sätze aus einem unveröffentlichten Leserbrief und zitiert, nur um einen Witz machen zu können, nicht richtig. Ich hatte geschrieben: "Dass die Schweiz das Eszett abgeschafft habe, ist nicht wahr. Es wird in der Schule nicht unterrichtet und in der Presse nicht verwendet; aber in den literarischen Werken und den Schulbüchern steht es nach wie vor." Daraus macht Herr Walther: "Dass die Schweiz das Eszett abgeschafft hat, ist nicht wahr. Es wird in der Schule nicht unterrichtet und in der Presse nicht verwendet." Herr Walther setzt also einen Punkt, wo ich einen Strichpunkt hatte, und lässt meine Hauptaussage weg. Das Ergebnis nennt er einen "klassischen Radio-Eriwan-Satz" und beweist mit ihm meine "Realitätsverweigerung".

Zweitens: Im letzten November zeichnete eine Schweizer Stiftung den Dichter Reiner Kunze für seinen "Einsatz im Dienst der Sprachkultur" und für seine Denkschrift zur Rechtschreibreform Die Aura der Wörter aus. Die Preisrede hielt der Verleger Michael Klett, der sich soeben in den Schweizer Monatsheften für ein vollständiges und rasches Aufgeben der neuen Regeln ausgesprochen hat. Im Bericht zur Feier schrieb die FAZ den Namen des Präsidenten, Robert Nef, irrtümlich "Nefin" (8.11. 2004). Dieses Versehen brandmarkt Herr Walther mit dem gebührenden scharfen Hohn. Einen weiteren Fehler der FAZ übernimmt er und nennt wie sie die Stiftung "Stiftung für abendländische Gesinnung"; richtig wäre "Besinnung" gewesen, und seit einiger Zeit ist der Name "Stiftung für Abendländische Ethik und Kultur". Herr Walther kennt also diese Stiftung nicht, aber er teilt mit, dass sie "stockreaktionär" ist; mich, der ich mit ihr nichts weiter zu tun habe, nennt er witzig "Fachmann für abendländische Gesinnung". Unter den Preisträgern vor Reiner Kunze sind die schweizerische Vogelwarte Sempach, der Dirigent Nello Santi, die Schauspielerin Maria Becker und Bassam Tibi; in diesem Jahr ist es der Filmemacher Fredi Murer.

Drittens: Ich habe kürzlich gezeigt, dass wesentliche Teile der Rechtschreibreform schon 1947 in der Schweiz vorgeschlagen wurden (FAZ, 23.6. 2005). Ein gewisser Karl Rotzler setzte sich damals für Schreibweisen des neunzehnten Jahrhunderts ein; er empfahl also nicht, wie Herr Walther meint, "neue Schreibweisen", sondern veraltete. Aus dieser Tatsache ziehe ich den Schluss, dass die reformierte Rechtschreibung nicht etwa eine Fortentwicklung der Sprache aufnimmt. Gegen meine Folgerung könnte man mit Gegengründen auftreten; Herr Walther macht einen Witz über den "neuesten Grabenkrieger der FAZ".

Viertens: Einen weiteren Witz macht Herr Walther über meinen Beruf und heißt mich einen "Fachmann für gerechte Noten". Genau über die Schule müsste man reden, wenn man ernsthaft über diese Reform reden wollte. Herr Walther räumt ein, dass die erste Version der neuen Rechtschreibung Fehler und Schwächen enthalte. Er übergeht, dass auch die zweite Fassung vom Juni 2004 fehlerhaft ist und dass deswegen der Rat für Rechtschreibung an einer dritten arbeitet. Die Schweizer Erziehungsdirektoren wollen wie die Mehrzahl ihrer deutschen Amtsgenossen die "unstrittigen Teile" der Neuregelung in der zweiten Fassung notenwirksam werden lassen. Als Quellen nennen sie den Rechtschreib-Duden von 2004 und das Wörterbuch des Bertelsmann-Verlages, das zum ersten August erscheinen soll. Ich halte es für verantwortungslos, Schüler und Eltern Bücher kaufen zu lassen, die bestenfalls ein Jahr gelten.

Der Verfasser ist Lehrer am Gymnasium Friedberg in Goßau (Kanton St. Gallen) und Mitglied der Forschungsgruppe Deutsche Sprache

(FDS, http://sprachforschung.org/)


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