Als Ende 1998 in Schwerin eine rot-rote-Koalition gebildet wurde, waren Euphorie und Horrorszenarien gleichermaßen groß. PDS und einige Teile der SPD-Linken erhofften sich durch die Regierungsteilhabe der Sozialisten eine spürbare Linkswende in der Landespolitik - Konservative und Liberale drohten dem Land eine irreversible politische, wirtschaftliche und kulturelle Randständigkeit an. Da beides nicht eintrat, können sich heute jene bestätigt fühlen, die den damaligen Vorgängen mit pessimistischem Optimismus begegneten.
1998 bot sich für die Sozialdemokraten erstmals die Gelegenheit, die Vorherrschaft der Konservativen im Land zu brechen: Massive Verluste auf Seiten der CDU und entsprechende Gewinne bei SPD und PDS verschafften der rot-roten Liai
roten Liaison eine beruhigende Mehrheit. Harald Ringstorff ließ dabei nie einen Zweifel daran, dass er eine Koalition mit der PDS nicht in erster Linie aus Sympathiegründen suche, sondern ihm eher die Zeit für eine große Entzauberung gekommen schien.Als Oppositionspartei hatte die PDS seit 1990 ihre Popularität kontinuierlich steigern können. Doch es war klar, dass sie in der Regierungsverantwortung in ein Glaubwürdigkeitsproblem schlittern musste. Sie besaß keinerlei Regierungserfahrung. Die SPD hatte insofern leichtes Spiel, die Arbeit im Landeskabinett zu beherrschen. Diese Dominanz reichte von der Verteilung der Ressorts im Verhältnis 6:3 bis zum nahezu folgenlosem Alleingang des Ministerpräsidenten im Bundesrat beim Votum über die Rentenreform. Außerdem verfügte die PDS über keine überzeugende Konzeption für eine progressive Reformpolitik auf Landesebene. Ihre Programmatik wird bis heute (bundesweit) von einem hydraulischen Politikverständnis beherrscht, das bestehende Mentalitäten bei der Bevölkerung sowie bürokratische Reibungsverluste eklatant unterschätzt.Heute kann Harald Ringstorff seinem Amtskollegen Mathias Platzeck in Potsdam, der die Entzauberungsstrategie für aussichtslos hält und lieber mit der CDU koaliert, selbstbewusst entgegentreten: Während die jüngsten Umfragen der SPD in Mecklenburg-Vorpommern kurz vor der Wahl ein besseres Ergebnis als 1998 prophezeien, könnte die PDS deutlich an Stimmen verlieren. Deren Rückzug in die Opposition würde freilich die Talfahrt noch verstärken - auch die Wähler einer linkssozialistischen Partei erwarten präzise Reformvorschläge und keine trotzige Fundamentalopposition.Dabei kann Rot-Rot auf alles andere als eine niederschmetternde Bilanz verweisen: Zwischen 1998 und 2001 steigerte Mecklenburg-Vorpommern seine Bruttowertschöpfung um 22,7 Prozent (der zweitbeste Wert in Deutschland). Trotz der Einbrüche im Bausektor und der stark reduzierten Möglichkeiten für eine aktive Arbeitsmarktpolitik kam es zu keinem Anstieg der Erwerbslosigkeit. Im Juni 2002 rückte das Land im ostdeutschen Arbeitsmarkt-Ranking sogar erstmals vor Sachsen auf Platz drei vor. Inzwischen weist der Nordosten durch jährlich fast zweistellige Wachstumsraten die höchste Tourismus-Intensität Deutschlands auf. Hinzu kommen ein deutlich beschleunigter Ausbau der Infrastruktur (besonders Straßen und Autobahnen) und eine Verdopplung der Arbeitsplätze in der Biotechnologie. Diese Trends dürften allerdings - wenn überhaupt - vorzugsweise mit der SPD in Verbindung gebracht werden. Einzig im Metier Umweltpolitik kann die PDS mit ihrem Minister Wolfgang Methling punkten.Mecklenburg-Vorpommern galt kurz nach der Wende als Hochburg der Konservativen, zwölf Jahre danach zeichnet sich zumindest mittelfristig die Chance einer sozialdemokratischen Hegemonie ab. In einer Reihe von Branchen ist bei intelligenter Förderpolitik ein Aufschwung denkbar. Die erwarteten demographischen Umbrüche werden den Arbeitsmarkt spürbar entlasten. Die CDU wirkt personell und programmatisch desorientiert. Damit wären im Prinzip alle Bedingungen erfüllt, die den derzeit in Schwerin regierenden Parteien eine lange Amtszeit verheißen. Geführt würde diese Allianz weiterhin von der SPD, die zur Zeit auf ein Wählerreservoir von 35 Prozent rechnen kann. Ihr Ziel für das Jahr 2006 heißt "Projekt 40". Einzig die Bildungspolitik, die sich in den vergangenen Jahren aus verschiedenen Gründen zu einem fortwährenden Ärgernis entwickelt hat und soziale Mentalitäten auf Jahrzehnte beeinflusst, könnte dies ernsthaft gefährden.Ringstorffs Erfolgskurs, der auch auf das Konto von Schröder geht, wird es der SPD-Linken nicht unbedingt leichter machen, im Land eine progressive Reformpolitik durchzusetzen. Allerdings ist ihr Einfluss zuletzt auch durch die Jungsozialisten stetig gewachsen. Ringstorff sitzt also vorerst fest im Sattel, wird sich aber auf eine Reihe von Kompromissen einlassen müssen, wenn er seine innerparteiliche Machtbasis nicht unnötig gefährden will.Welchen Weg dabei die PDS nimmt, hängt vor allem von ihr selbst ab. Machtpolitisch hat sie zweifellos dazu gelernt; programmatische Lücken in Sachen Reformpolitik auf Landesebene bleiben. Auch das Label "Ost-Partei" verliert mehr als ein Jahrzehnt nach dem Beitritt der DDR zur BRD deutlich an Charme. Die Chancen der PDS, sich langfristig als starke sozialistische Kraft neben der SPD zu behaupten, stehen also derzeit nicht so gut.Der Autor ist Mitglied im geschäftsführenden Landesvorstand der SPD Mecklenburg-Vorpommern.