Kartellrecht: Bricht die Ampel jetzt die Macht der Großkonzerne?

Tankrabatt Robert Habeck bezirzt die FDP, um mit „Klauen und Zähnen“ gegen Mineralölkonzerne und deren obszöne Krisengewinne vorzugehen. Ist das mehr als ein Beschwichtigungsmanöver gegenüber der Bevölkerung?
Ausgabe 24/2022
Man munkelt, manche Menschen in Deutschland haben noch gar nicht mitbekommen, dass es einen Tankrabatt gab. An der Zapfsäule wird es ihnen schon mal nicht dämmern
Man munkelt, manche Menschen in Deutschland haben noch gar nicht mitbekommen, dass es einen Tankrabatt gab. An der Zapfsäule wird es ihnen schon mal nicht dämmern

Foto: MiS/IMAGO

Charmanter könnte man das Debakel um den Tankrabatt der Bundesregierung kaum kritisieren: „Wenn eine nicht so gute Idee schlecht läuft, dann muss man natürlich trotzdem helfen“, sagt kein Geringerer als der Wirtschafts- und Energieminister Robert Habeck von den Grünen. Vermutlich genießt er auch ein bisschen, dass die glorreiche Idee der FDP, die Autofahrer zu entlasten, nicht den gewünschten Erfolg erzielt. Die Einsicht: Die Marktmacht der Mineralölkonzerne ist zu stark. Wenn sie vor dem Tankrabatt die Preise anziehen konnten, können sie es auch danach.

Um das „Schlamassel ein bisschen weniger groß werden zu lassen“, wie Habeck es im Deutschlandfunk-Interview nannte, soll es nun eine Verschärfung des Kartellrechts richten. Das war bereits im Koalitionsvertrag festgeschrieben und wird von Linken schon lange gefordert. Doch erst der Angriffskrieg Russlands und die steigenden Energiepreise haben dafür gesorgt, dass auch die letzten Neoliberalen einsehen müssen, wie stark die Marktmacht einiger weniger Mineralölkonzerne ist. Entsprechend möchte Habeck das Kartellrecht mit „Klauen und Zähnen“ ausstatten, das heißt mögliche Kartelle und Übergewinne besser feststellen.

Doch diese Verschärfung des Kartellrechts würde zum einen noch zu lang dauern, bis sie wirksam ist, zum anderen stellt sie nur einen Kompromiss einer Regierung dar, die sich nicht traut, die Übergewinne der Konzerne schon jetzt anzutasten. Die Behörde kann laut Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen bereits jetzt die Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils anordnen. Das Kartellamt könne aber im Moment noch nicht in die Bücher gucken, so Habeck – obwohl die Gewinne seit Ende Februar so deutlich gestiegen sind, dass man die Bücher für die politische Durchsetzung nicht ernsthaft benötigt. Das Argument ist vorgeschoben.

„Uridee der sozialen Marktwirtschaft“

Denn die Übergwinnsteuer ist in der Ampel politisch nicht durchsetzbar, wie auch Robert Habeck eingestehen muss. Deshalb versucht er die Liberalen mit dem Kartellrecht als „Uridee der sozialen Marktwirtschaft“ zu bezirzen. Wettbewerb würde überhaupt erst wieder ermöglicht, wenn Kartelle zerschlagen werden, und gegen Wettbewerb kann die FDP natürlich nichts einwenden. Selbst der Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, der FDP-Mann Michael Theurer, hält die Zerschlagung der Unternehmen für die Ultima Ratio. Robert Habeck spricht stattdessen von „Entflechtung“: Das klingt etwas freundlicher und vor allem eher nach sozialer Marktwirtschaft als nach Sozialismus.

Für manche Ideen muss die Zeit eben erst reifen. Nach drei Jahrzehnten der Deregulierung kommen nun politische Instrumente in Mode, die als verstaubt galten. Handelte sich die Ökonomin Isabella Weber noch vor wenigen Monaten einen veritablen Shitstorm ein, weil sie Preiskontrollen erwähnte, werden diese mittlerweile als weitgehend legitimer Markteingriff gesehen. Genauso verhält es sich mit der Übernahme russischer Ölkonzerne – was noch beim Volksentscheid zur Vergesellschaftung großer Immobilienkonzerne in Berlin zu DDR-Vergleichen einlud.

Kurzfristig entlastet ein schärferes Kartellrecht niemanden und es ersetzt auch keine Steuer auf massive Übergewinne. Aber die feine Ironie der Geschichte könnte sein, dass ausgerechnet eine wirtschaftsliberale Regierung die Macht der Großkonzerne zu brechen beginnt.

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