Robert Hue als hängende Spitze

Kommentar Frankreichs Kommunisten wählen Führungsduo

Auf dem Parteitag der französischen KP ist am vergangenen Wochenende gar Ungeheuerliches geschehen. Die Partei hat mit Jugend- und Sportministerin Marie-George Buffet eine Frau zur Nationalsekretärin und damit zur "Nummer Eins" gewählt. Oder sie hat es zumindest fast getan, denn ein geändertes Statut verordnet eine Art "Doppelspitze", das heißt Robert Hue, der unermüdliche Reformer im Kleinen und Mittelgroßen, ist - mit dem Votum der Delegierten - vom Nationalsekretär zum "Präsidenten" mutiert. Ob "Onkelchen" - so der Spitzname des gemütlich wirkenden 55jährigen Hue - sich damit möglicherweise aus der Schusslinie und auf den Tribünenplatz eines eher moderierenden "Ehrenvorsitzenden" zurückzieht, während Marie-George in die harten Gefechte des anstehenden Wahlkampfes marschiert, bleibt abzuwarten.

Nur soviel ist auf jeden Fall klar, noch nie in der mehr als 80jährigen Geschichte dieser KP gab es so viele Abweichler wie gegenwärtig. 15 Regionalverbände (fédérations) - darunter so mitgliederstarke wie Seine-Saint-Denis, Val-de-Marne und Somme lehnen die Statutenrevision rundweg ab. Die sich um den orthodoxen Georges Hage scharenden Dissidenten rufen zur "nationalen Sammlungsbewegung für eine kommunistische Renaissance". Da erhebt sich schon die Frage nach denkbaren Konsequenzen - laufen sie auf eine Spaltung der Partei hinaus? Allerdings ist der PCF Derartiges seit 1990 immer wieder prophezeit worden, es trat aber nie ein.

Robert Hue hat auf dem Parteitag unbeeindruckt von allen Wirrnissen das Ende des "Monolithismus" gepriesen. Doch ob er sich einen Abschied von der Vergangenheit mit soviel zentrifugaler Energie gewünscht hat, darf bezweifelt werden. Zumal ja auch die jahrzehntelang stramm auf KP-Kurs eingeschworene Gewerkschaft CGT nicht mehr so recht parieren will. Wie alle französischen Gewerkschaften leidet auch sie unter einer akuten Verschwindsucht ihrer Mitglieder.

Mit Buffet rückt ohne Zweifel jene Kommunistin an die Spitze der Partei, die auf die größte Akzeptanz in der französischen Gesellschaft zählen kann. Als Mitglied im Kabinett Jospin hat sie nicht nur durch ihren unbeirrbaren Kampf gegen Doping und für eine saubere Tour de France an Statur gewonnen, sondern vor allem durch ihre Programme gegen die Jugendarbeitslosigkeit. Soweit ist diese Politikerin ganz sicher ein guter Griff. Wie sie der Partei jedoch zu mehr als 15 Prozent bei den Wahlen im kommenden Frühjahr verhelfen will, bleibt bislang ihr Geheimnis. Gerade zehn Prozent waren es beim letzten Urnengang 1997. Die Zeiten, in denen die Kommunisten mit Ergebnissen von über 20 Prozent ganz vorn mitreden konnten, sind von viel historischer Patina durchtränkt. Heute geht es der PCF wie den deutschen Liberalen: Man bejubelt jedes zweistellige Ergebnis, fühlt sich als Mehrheitsbeschaffer für die Sozialisten nicht unter Wert behandelt und weiß doch um die Vergänglichkeit dieser politischen Dienstleistung

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