Rohe Macht

USA Der „Fall Kavanaugh“ zeigt die Abgründe des Trumpismus. Anstand und Rechtsstaat schmieren ab
Ausgabe 40/2018
Nun darf das FBI den Anschuldigungen gegen Kavanaugh nachgehen. Sieben Tage lang, das muss reichen. Wer weiß, was rauskommt
Nun darf das FBI den Anschuldigungen gegen Kavanaugh nachgehen. Sieben Tage lang, das muss reichen. Wer weiß, was rauskommt

Foto: Eric Baradat/AFP/Getty Images

Republikanisches männliches Machtgebaren dominiert in Washington und anderswo bei der Debatte über die Nominierung von Brett Kavanaugh zum Obersten Gericht. Das ist die hässliche politische Wirklichkeit im zweiten Amtsjahr von Donald Trump und kurz vor den Kongresswahlen. „Sehr trumpistisch“ sei Kavanaughs Ausbruch bei der Senatsanhörung gewesen, lobte ein Kommentar bei Fox News. Rechtsstaat und Anstand gehen vor die Hunde. Republikaner wollen Kavanaughs wütenden Unschuldsbeteuerungen glauben und nicht der Aussage von Psychologieprofessorin Christine Blasey Ford, sie habe um ihr Leben gefürchtet, als sie 15 Jahre alt war und ein betrunkener Kavanaugh über sie hergefallen sei.

Die Umbesetzung des Obersten Gerichts mit einem Richter, der eine rechte Mehrheit sichern würde, steht ganz oben auf dem rechten Wunschzettel. Daher soll die Personalie Kavanaugh offenbar durchgezogen werden, und das trotz MeToo-Bewegung. So ereiferte sich der republikanische Senator Lindsey Graham, er sei ein „alleinstehender weißer Mann aus South Carolina“ und werde sich nicht den Mund verbieten lassen. Jede Stimme gegen Kavanaugh legitimiere den „abscheulichsten Vorgang, den ich je gesehen habe“. Gemeint mit „abscheulich“ ist der Umstand, dass die Vorwürfe von drei Frauen gegen Kavanaugh überhaupt zur Sprache gekommen sind. Und dass Kavanaugh gefragt wurde, ob er sich angesichts seines jugendlichen Alkoholkonsums an Sachen erinnern könne.

Nun darf das FBI den Anschuldigungen gegen den jungen Kavanaugh nachgehen. Sieben Tage lang, das muss reichen. Wer weiß, was rauskommt. Auf jeden Fall verschaffen Ermittlungen den Senatoren Rückendeckung, die einmal für Kavanaugh stimmen werden. Man habe schließlich nachforschen lassen. Trumps verlässlichste Wähler, weiße evangelikale Christen, die etwa ein Fünftel der Bevölkerung ausmachen, stehen stark auf Seiten von Brett Kavanaugh. Nur 36 Prozent sagten bei einer Umfrage des Rundfunksenders NPR: Wenn die Beschuldigungen denn wahr seien, würde das Kavanaugh disqualifizieren. Immerhin hat man ja auch Donald Trump gewählt, von dem im Wahlkampf eine Aufzeichnung bekannt wurde, bei der er prahlte: „Wenn du ein Star bist, lassen sie dich alles machen.“ Dann könne man Frauen auch in den Schritt greifen.

Der Fall Kavanaugh beschäftigt das Land zu einer Zeit, in der sich die Öffentlichkeit an einen Präsidenten gewöhnt hat, für den alternative Fakten existieren. Pressesprecherin Sarah Sanders machte den erforderlichen Spagat. Wie die meisten Amerikaner sei sie der Ansicht, Fords Aussage sei fesselnd gewesen, doch habe die Anklägerin keine Beweise geliefert. „Ich glaube, dieser Frau ist etwas Schlimmes zugestoßen“, so Sanders im ABC-Fernsehen, die Demokraten missbrauchten Ford zu politischen Zwecken.

In Medien wird nun spekuliert, ob Kavanaugh den Republikanern politisch schaden wird. Die elf republikanischen Senatoren im Justizausschuss haben dafür gestimmt, dem gesamten Senat Kavanaughs Berufung zu empfehlen. Schon seit Jahren werden die Republikaner zur Partei der Männer. Und ein rechter Oberster Gerichtshof ist für Trump und viele Republikaner kein zu hoher Preis für die Abkehr von noch mehr Frauen.

Bei einem Wahlkampfmeeting in West Virginia stellte Trump Kavanaugh als Opfer der Demokraten hin. Der Jurist sei ein „großartiger Mann“, hatte der Präsident zwei Tage nach der Anhörung gesagt – als hätte Christine Ford gar nie gesprochen. Nach Kavanaughs Wutausbruch twitterte der Präsident: Dieser habe „Amerika genau gezeigt, warum ich ihn nominiert habe“.

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