Roll back in Jakarta

Kommentar Megawati hofiert die alte Garde

Die indonesische Metropole Jakarta blieb relativ ruhig, als Abdurrahman Wahid am 23. Juli seines Amtes enthoben und Megawati Sukarnoputri zur neuen Präsidentin gekürt wurde. So paradox es klingt: Schneller, als vielen lieb sein dürfte, wird man einen Wahid vermissen. Zwar war seine Amtszeit kurz und turbulent, sein Regierungsstil widersprüchlich und exzentrisch. Doch seine Ära besaß eine Qualität, die der Suharto-Diktatur (1966-98) fehlte und sich auch jetzt nicht abzeichnet: religiöse Toleranz, Gesprächsbereitschaft mit politischen Gegnern, kein Kuschen vor dem Militär, größere Autonomie für die Provinzen.

Dass beispielsweise die Medien des Landes von der Gängelung durch ein omnipräsentes Informationsministerium befreit wurden und nichtstaatliche Organisationen gefahrlos Dissens kultivierten, ist Wahids historisches Verdienst. Er hat sich mit den Mächtigen angelegt, letztlich aber die Fähigkeit des ancien régime unterschätzt, die politische Situation zu destabilisieren. Vor allem die erstarkten Unabhängigkeitsbestrebungen in Aceh, Westpapua (Irian Jaya) und den Molukken arbeiteten den Militärs und von ihnen tolerierten paramilitärischen Banden nach der schmachvollen »Abspaltung« Osttimors vor zwei Jahren in die Hände.

Pessimistisch stimmt nun, dass sich die neue Präsidentin mehrfach über das seit Januar bestehende Autonomiegesetz mokierte und mit Armee- und Polizeikommandeuren kungelte, um sich ihres Rückhalts zu vergewissern. Anlässlich des 56. Jahrestages der Unabhängigkeit Mitte August bezeichnete Megawati die Wahrung der nationalen Einheit als oberstes Gebot. Als deren Hüter gerieren sich die Militärs, die sich - nicht ungeschickt - aus dem politischen Hickhack der vergangenen Monate herausgehalten haben. Heute sind sie geeinter denn je.

Seit ihrem Amtsantritt wird die neue Präsidentin von jenen Technokraten beraten, die einst mithalfen, Suhartos Image im Westen aufzupolieren und Gelder in schier unbegrenzter Höhe von IWF und Weltbank zu akquirieren. So war es Suhartos einst mächtiger Staatssekretär Moerdiono, der Megawati nahelegte, diesen Posten mit seinem Protegé Bambang Kesowo zu besetzen. Indonesien weist heute eine Auslandsverschuldung von etwa 145 Mrd. Dollar auf und muss dafür sorgen, dass die Indonesian Banking Restructuring Agency ehemalige Suharto-nahe Firmen mit einem Buchwert von gut 45 Mrd. Dollar veräußert.

So hoch die sozialen Kosten der Vergangenheitsbewältigung sind, so unbefriedigend wird diese im Bereich der Menschenrechtspolitik ausfallen. Mit Muhammad Abdurrachman ernannte die Präsidentin jemand zum Generalstaatsanwalt, der sich dagegen stemmte, die Verantwortlichen der Massaker in Osttimor zur Rechenschaft zu ziehen. Derweil traf Megawati ungeniert mit Ex-Generalstabschef und Ex-Verteidigungsminister Wiranto zusammen, den eine unabhängige Untersuchungskommission als Drahtzieher dieser Massaker schwer belastete. Ein gutes Omen - für das Militär.

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