Ronaldo und die Real-Wirtschaft

Fußball Kicker in kurzen Hosen sind weniger anständige und bescheidene Vorbilder der Jugend, als Idole, die aus ihrer Popularität Profit schlagen wollen. Das rechnet sich

Der Fußballclub Real Madrid hat in der vergangenen Woche mitgeteilt, dass er für den 24-jährigen Spieler Cristiano Ronaldo eine Ablösesumme von 94 Millionen Euro an den englischen Club Manchester United bezahlen wird. Das entspricht etwa dem Angebot, das der österreichische Magna-Konzern und die russische Sberbank für den Autobauer Opel abgegeben haben – "inklusive Werkshallen und 55.000 Mitarbeiter", wie die FAZ seinerzeit nachgerechnet hatte. Oder um in der Welt des Fußballs weiterzurechnen: Für einen Cristiano Ronaldo kann man sich 14-mal Fortuna Düsseldorf leisten, also beinahe die gesamte Zweite Bundesliga.

"Grau ist alle Theorie, entscheidend ist aufm Platz", sagte Adi Preißler von Borussia Dortmund. Das war in den sechziger Jahren. Mittlerweile sollen Fußballer nicht mehr nur für ihre Vereine Tore schießen, ökonomisch ausgedrückt: das Erreichen internationaler Wettbewerbe und der damit einhergehenden Werbe- und Fernseheinnahmen sicherstellen. Sie sollen noch sehr viel mehr. Entscheidend ist mittlerweile aufm Marktplatz: Der heute beinahe bescheiden anmutende Wechsel von David Beckham im Jahr 2003 für 35 Millionen Euro zu Real Madrid zeigte der Branche, dass die Refinanzierung eines solchen Deals nicht mehr nur im sportlichen Bereich erfolgen muss. Allein mit Merchandising-Produkten wie etwa dem Verkauf von Trikots soll Real die Summe seinerzeit wieder reingeholt haben. Der auch abseits des Fußballs populäre David Beckham (Stichwort: Metrosexualität) sorgte dafür, dass die Marke Real in den umkämpften neuen asiatischen Fußballmärkten wie Japan und Südkorea führend wurde: Real reiste zu teuer bezahlten Schauturnieren an, kassierte dort Fernsehgelder und Beckham wurde weltweit zur Werbeikone, woran Real zu 50 Prozent partizipierte.

Mit Werbung mehr verdienen als mit Fußball

Darüber hinaus erschloss Beckham sogar in ungeahntem Umfang weibliche Zielgruppen für die Ware Fußball: Kreischende Mädchen waren bislang Popgruppen vorbehalten gewesen, in deren Hype-Regionen David Beckham und, woran man bei Real Madrid ganz fest glaubt, nun auch Ronaldo Cristiano vorgestoßen sind. Beckham war nicht nur der erste Profi, der mit Werbeverträgen mehr Geld verdiente als mit Fußball. Er war auch der erste Spieler der Fußballgeschichte, dessen Gesicht einen höheren Versicherungswert hatte als seine Beine.

Dass Rekordsummen wie 94 Millionen Euro auch im Angesicht der gegenwärtigen Weltwirtschaftskrise und ihren Folgen, die Fußballfans zu spüren bekommen, gezahlt werden, ist so moralisch oder amoralisch wie die Gagen, die an berühmte Schauspieler oder Rockmusiker überwiesen werden. Dass sie im Sport besonders kritisiert werden, verweist jedoch auf ein anachronistisches Sportverständnis, wonach Kicker in kurzen Hosen Vorbilder der Jugend sein sollten: anständig, bescheiden und monetäre Angebote verabscheuend – lauter kleine Uwe Seelers und Fritz Walters.

Im Fußballgeschäft werden mittlerweile von Medienkonzernen und Vermarktern derart große Summen verdient, dass schwer zu erklären ist, warum die Profis nicht davon profitieren sollten: Die Ablösesumme für Cristiano Ronaldo steht in Relation zu seinem Jahresgehalt, das acht Millionen Euro plus Prämien und Bildrechte beträgt. Damit sind die Fußballer im Vergleich zu anderen Sportlern noch bescheiden: Der deutsche Formel-1-Fahrer Michael ­Schumacher verdiente schon vor sieben Jahren 50 Millionen Euro im Jahr, also in heutigen Preisen ausgedrückt: den ­halben Opel-Konzern.

Man mag über die Berechtigung ­solcher Zahlungen streiten. Worüber man dagegen nicht streiten kann, ist die erwiesene Gemeinsamkeit des Sports mit den Banken und der Automobil­industrie: die Systemrelevanz.

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