Rosa Poloshirts

Berliner Abende Auf halbem Weg zwischen Bötzowviertel und Kollwitzplatz sitzen zwei Prenzlauer Berger, Typ Ureinwohner, mitten im November in einem Straßencafé auf ...

Auf halbem Weg zwischen Bötzowviertel und Kollwitzplatz sitzen zwei Prenzlauer Berger, Typ Ureinwohner, mitten im November in einem Straßencafé auf der Marienburger Straße. Es ist frisch, Heizpilze sind seit einem Monat verboten, aber sie scheint die Kälte nicht zu stören. Ihr Alter entspricht ungefähr dem der Mütter und Väter, die an ihnen vorbeiziehenden. Ihre Kleidung ist praktisch, aber nicht teuer, Falten, fehlende Haare sowie Fettpolster werden nicht kaschiert. Als ich mich an den Nebentisch setze, sind sie gerade dabei, sich jeder eine Zigarette zu drehen und sie anschließend genüsslich zu rauchen. Dazu trinken sie schwarzen Kaffee. Ein nagelneuer Volvo-Geländewagen XC 60 fährt vorbei.

Er: Ich krieg ja immer Schreikrämpfe, wenn ich diese Typen im Landrover zum Biomarkt fahren sehe und dann kaufen sie Bio-Bohnen aus Ägypten und tanken Bio-Diesel.

Sie: Und hinterher kaufen sie ihren Kindern Eis ohne Eis.

Er: Eis ohne Eis?

Sie: Bei mir um die Ecke hat diesen Sommer ein Eisladen aufgemacht, der Eis verkauft ohne Milch, ohne Schokolade, ohne Farbstoffe, ohne Nüsse, ohne Zucker, eben ohne alles, wofür Eis mal erfunden wurde, abgesehen davon, dass es gefroren ist. (Sie stößt den Rauch ihrer Zigarette in Richtung Gehweg aus.) Aber die Kinder sind ja auch nicht mehr mit Hilfe von Sex gemacht. Ist ja auch eklig.

Er: Ich liebe es zu beobachten, wie die sich als Paare verhalten. Das hat so gar nichts erotisches, sondern etwas seltsam buchhalterisches. Als wenn die schon am ersten Tag festgelegt haben, wann sie sich scheiden lassen und wer dann an welchem Tag die Kinder nimmt.

Sie: Eigentlich finde ich es toll, wenn Väter sich um ihre Kinder kümmern. Das war ja unser großes Manko, dass wir, weil wir uns auf die Kerle nicht verlassen konnten, gesagt haben, dann eben keine. Obwohl die Kinder Väter auch ganz gut gefunden hätten. Ich verstehe nur nicht, warum die es gleich so übertreiben müssen.

Er: Das kumuliert für mich in diesen rosa Poloshirts. Die sind für mich der Innbegriff dieser, ich weiß gar nicht, wie ich das nennen soll.

Sie: Feminisierung?

Er: Das würde für mich das Feminine zu sehr denunzieren.

Sie: Muttisierung?

Er: Das trifft es besser. Als die vor drei, vier Jahren anfingen, hier mit ihrem rosafarbenen Zeug rumzulaufen, habe ich gedacht, o.k., die interessieren sich nicht für Frauen, auch gut. Als die ersten mit Kinderwagen kamen und sie alle drei Meter reinkriechen wollten vor Glück, musste ich mich korrigieren.

Sie: Komisch finde ich, dass sie am Anfang auch diese Kuhaugen haben, die man immer auf die weibliche Hormonumstellung nach der Geburt geschoben hat.

Er: Kannst du dir vorstellen, wie das wird, wenn die süßen Kleinen alle auf einmal in der Pubertät sind?

Sie: Das kann uns egal sein, da wohnen wir sowieso nicht mehr hier.

Er: Ich schon, meine Wohnung ist zur Not von der Größe her Hartz-IV-kompatibel.

Und so reden sie weiter und weiter, bis die Sonne kurz nach vier hinter den Häusern des Kollwitzplatzes untergeht, dann trennen sie sich, ohne sich, wie es jetzt hier Mode ist, mit großer Geste zu herzen und zu küssen, an der Post Marienburger, dem hässlichsten Haus von ganz NO 55.

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