Der jüngste Plan des europäischen Agrarkommissars schockte Biobauern, Umweltaktive und Verbraucherschützer gleichermaßen. Kaum hatte Franz Fischler seinen Bericht über die künftige Koexistenz einer Landwirtschaft mit und ohne Gentechnik vorgelegt, mahnte Verbraucherschutzministerin Renate Künast an, dass das Verursacherprinzip auch in der Grünen Gentechnik gelten müsse. Dies aber sieht der EU-Kommissar nicht vor. Im Gegenteil: Maßnahmen, welche eine gentechnische Verunreinigung von Saatgut vermeiden sollen, hätte derjenige Landwirt zu tragen, »der den wirtschaftlichen Nutzen aus dem von ihm gewählten Anbauverfahren« ziehen wolle - im Zweifel also der Biobauer. Weiter hält es Fischler mit freiwilligen Vereinbarungen.
en. Gentechnisch und gentechnikfrei wirtschaftende Bauern sollten untereinander absprechen, wie sie mit Sicherheitsabständen oder einem erforderlichen Fruchtwechsel unliebsame Kontaminationen vermeiden wollen. In der Frage der Haftung für gentechnische Verunreinigungen zieht sich die Kommission vornehm zurück: das geltende nationale Zivil- und Haftungsrecht sei ausreichend, um landwirtschaftliche Nachbarschaftskonflikte zu regeln. Auch sonst sind die Mitgliedsstaaten dazu angehalten, selbst für ein friedliches Nebeneinander von gentechnisch veränderten, konventionellen und ökologischen Kulturen zu sorgen.Das Schlimmste verhindernWie aber lässt sich die von Brüssel propagierte Koexistenz hierzulande gewährleisten? Als klares »Rückzugsgefecht« sieht Heike Moldenhauer die Möglichkeit von gentechnikfreien Zonen für die ökologische Landwirtschaft an. »In solchen Zonen sollten besser diejenigen wirtschaften, die gentechnisch anbauen wollen«, fordert die Expertin für Landnutzung des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland. Allzu offensichtlich beweise eine bevorstehende Ausweisung von Schutzzonen, dass die Gentechnik auf Kosten anderer Anbauformen bevorzugt werde.Keine Alternative zu Abstandsregelungen sieht Robert Hermanowski, Geschäftsführer des Forschungsinstituts für biologischen Anbau. »Wenn die Gentechnik einzieht, wird es keine gentechnikfreien Produkte mehr geben«, gibt er zu bedenken. Um Schlimmeres zu verhindern und die vorgegebenen Schwellenwerte für Saatgutverunreinigungen einzuhalten, müsste auf regionale und zeitliche Lösungen zurückgegriffen werden. Neben Sicherheitsabständen hält es Hermanowski für sinnvoll, gentechnische und gentechnikfreie Pflanzen zeitlich versetzt anzubauen. Die Saatguterzeugung hingegen sollte möglichst isoliert praktiziert werden, um gentechnikfreie Zonen käme man dabei nicht herum.Auch Felix Löwenstein, Vorsitzender des Bundes der ökologischen Lebensmittelwirtschaft, glaubt, dass Abstände auf den Feldern zu den Schutzmaßnahmen der Wahl zählen. Landwirte, die gentechnisch anbauen, müssten dabei eine gute fachliche Praxis einhalten. Darüber hinaus prognostiziert Löwenstein, dass in der Agrarwirtschaft ohnehin keine ernsthafte Gentechnikfreiheit mehr möglich sein wird.Stochern im NebelAufgrund der mangelhaften Datenlage ist bislang noch unklar, wie die Abstandregelungen konkret aussehen könnten. Um nicht gänzlich mit leeren Händen dazustehen, hat das Umweltbundesamt Ende 2002 ein Gutachten in Auftrag gegeben, das erste Abstandsempfehlungen formulieren sollte. Das Ergebnis der Studie: Um die Einkreuzungsraten zu minimieren, wären je nach angebauter Pflanzenart Distanzen von mehreren hundert bis hin zu mehreren tausend Metern einzuhalten. »Isolationsabstände zwischen der transgenen und der zu schützenden Kultur sind eine wirksame, aber nicht hundertprozentige Maßnahme, um Pollentransfer zu verhindern«, stellen die Autoren weiter fest. Der Transport von gentechnisch verändertem Material könne nicht nur mittels Pollenflug erfolgen, sondern auch durch Tiere und den Menschen stattfinden. Zudem bestehe die Möglichkeit einer weiträumigen Verbreitung von Pollen durch starken Wind und atmosphärische Strömungen, die bisher kaum untersucht wurden. Theoretisch könnten Pollen auf diese Weise mehrere hundert Kilometer zurücklegen, so die Autoren.Dass sich die Mindestabstände nach den Fruchtarten richten müssten, betont auch Uta Meiers, Referatsleiterin für Ökolandbau im Deutschen Bauernverband. Bei Kartoffeln etwa seien keine so großen Abstände notwendig wie beim Raps, der ein hohes Auskreuzungspotenzial aufweist. Dafür wäre jedoch beim Knollengewächs wegen eines starken Durchwuchses auf die Fruchtfolge zu achten. Ansonsten relativiert Meiers die Gefahr einer Kontamination auf dem Feld: »In Brüssel konzentriert man sich zu sehr auf die biologischen Prozesse in der Landwirtschaft«, stellt sie fest. Im Fokus müssten jedoch die Verunreinigungen entlang der gesamten Produktionskette stehen. Insbesondere die Lagerung und der Transport von Saatgut würden große Gefahren bergen.Vorreiter ÖsterreichWährend die Deutschen noch theoretische Lösungen entwerfen, schaffen Länder wie Österreich oder Australien längst Realitäten und basteln an großräumigen gentechnikfreien Zonen. Schon in der Vergangenheit waren die Österreicher besonders skeptisch gegenüber dem möglichen Einzug der Gentechnik in die Landwirtschaft. Mit 0,1 Prozent verfügt das Land nicht zufällig über den europaweit niedrigsten Schwellenwert für gentechnische Saatgut-Verunreinigungen. Die Steiermark, Kärnten, Salzburg, das Burgenland und Oberösterreich haben bereits Initiativen ergriffen, um gentechnikfreie Zonen auf Bundesländer-Ebene zu schaffen. Zudem soll neben Slowenien auch Italien in ein länderübergreifendes gentechnikfreies Gebiet eingebunden werden.Nicht zuletzt das Ergebnis einer Studie im Auftrag der oberösterreichischen Landesregierung stützt die Bestrebungen der Bundesländer: Sie belegt, dass ein Nebeneinander von gentechnikfreier Bewirtschaftung und dem Anbau von Gentech-Pflanzen in Österreich nicht möglich ist. Wenn kleine bis mittelgroße gentechnikfreie Zonen geschaffen würden, wären Pufferzonen mit einem Radius bis zu mehreren Kilometern einzurichten. Dies aber erscheint angesichts einer fein strukturierten österreichischen Landwirtschaft undenkbar - ihre Grundgrößen sind schließlich kleiner, als es die Schutzzonen um die Felder wären.