Rüstungsunion Europa

Gastbeitrag Die EU-Kommission um Ursula von der Leyen steht. Einigkeit und Entschlossenheit herrscht vor allem im Bereich der Militarisierung
Man kann Ursula von der Leyen aus dem Verteidigungsministerium kriegen, aber nicht das Verteidigungsministerium aus Ursula von der Leyen
Man kann Ursula von der Leyen aus dem Verteidigungsministerium kriegen, aber nicht das Verteidigungsministerium aus Ursula von der Leyen

Foto: Sean Gallup/Getty Images, 2018

Seit Ursula von der Leyen im Juni knapp als Präsidentin der Europäischen Kommission gewählt wurde, galt die öffentliche Aufmerksamkeit der Zusammensetzung ihrer zukünftigen Kommission. Drei der Kommissions-Kandidat*innen mussten aufgrund ihrer Interessenskonflikte und fachlicher Inkompetenz ausgetauscht werden. Dabei ging dann unter, dass auch bei nun bestätigten Kommissar*innen vorprogrammierte Interessenskonflikte zutage treten werden. Mehrere Millionäre tummeln sich in den Reihen, wie z. B. Thierry Breton, der zukünftig als Industriekommissar auch der neuen ‚Generaldirektion Verteidigungsindustrie und Weltraum‘ vorstehen soll und damit faktisch zum Rüstungskommissar wird. Er wird auch über die Vergabe der Gelder des ‚Europäische Verteidigungsfonds‘ (EDF), für den im nächsten EU-Haushalt 13 Milliarden Euro vorgesehen sind, entscheiden. Davon sind mindestens fünf bis zehn Prozent für ‚disruptive Verteidigungstechnologien‘ eingestellt. Führend bei diesen Technologien ist rein zufällig der rüstungsnahe IT-Konzern Atos, dessen Chef Thierry Breton bisher war. Und das ist nur ein Beispiel.

Inhaltlich versprachen Ursula von der Leyen und die KommisionsanwärterInnen den Abgeordneten jeweils das, was sie hören wollten. Schlagworte wie „Mindestlohn“, „Green“ Deal, „Frieden“ oder „Digitalisierung“ sollten eine Kurswechsel, einen Aufbruch vermitteln, doch die blumigen Worte lenkten nur davon ab, dass es weitergehen soll wie bisher. Austeritätspolitik statt einer offensiven Sozialpolitik der Armutsbekämpfung, kein ambitionierter Klima- und Umweltschutz, keine gerechte Steuerpolitik. Und während die EU angeblich ein „Projekt des Friedens bleiben“ soll, wird massiv in militärische Aufrüstung investiert – und natürlich in neoliberale Handelsabkommen. Da ist Ursula von der Leyen stark, schnell und ambitioniert.

Parallel zum politischen Credo des Sparzwangs bleibt es bei der Weigerung von Kommission und Rat Mehreinnahmen zu schaffen: Schon heute bestünde die Möglichkeit durch eine gerechte Besteuerung von Digitalunternehmen, eine konsequente Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuervermeidung sowie durch das Schließen von Steuerschlupflöchern in die Zukunft der Europäer*innen zu investieren. Hunderte Milliarden Euro könnten in die Mitgliedsländer fließen und nötige Investitionen in Bildung, Transformation, Gesundheit, Infrastruktur und Umwelt ermöglichen. Doch das ist politisch von den handelnden Regierungschef*innen und der neuen Kommissionspräsidentin eben nicht gewollt.

Dabei gibt es mehr als genug Herausforderungen: Die Anzahl von Armut bedrohter Menschen in der EU liegt bei über 110 Millionen, die öffentliche Infrastruktur verrottet, der Klimawandel hat schon jetzt auch in Europa massive Auswirkungen – und Rechtspopulisten und Faschisten nutzen das desolate Auftreten der Regierenden in Europa für ihre Zwecke.

Einigkeit und Entschlossenheit herrscht hingegen im Bereich der Militarisierung.

Die neue General-Direktion Bretons mit dem unscheinbaren Namen DG Defense hat drei Hauptaufgaben: militärische Weltraumprogramme, militärische Mobilität und die Schaffung eines europäischen Rüstungsmarktes. Letztgenannter bildet gleichzeitig das schwammige juristische Fundament der Milliarden-Investitionen in die tödliche Industrie. Denn nach den europäischen Verträgen darf die EU gar nicht in militärische Rüstung investieren. Mit allerlei Spitzfindigkeiten soll dies nun hintergangen werden.

Während die Kommission also an Regelungen bastelt, die die Militärindustrie unterstützen sollen, ohne es so zu benennen, sind Millionen Menschen auf der Flucht, unter anderem vor den Waffen der Firmen, die künftig von den Rüstungsaufträgen der EU profitieren werden. Menschen sterben im Mittelmeer, werden in Nordafrika versklavt, enden in griechischen Hotspots oder in Bihac an der kroatischen Grenze. Genau hier sterben die von Ursula von der Leyen immer wieder gelobten „Werte Europas“ jeden Tag.

Martin Schirdewan und Özlem Alev Demirel von der Linkspartei waren für die Europawahl 2019 gemeinsam als Spitzenduo nominiert. Wie ihre Parteikolleginnen und -kollegen traten sie der Konföderalen Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke bei. Martin Schirdewan ist Co-Fraktionsvorsitzender

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