Ruhmreich soll es werden

Theater Die Berliner Volksbühne sucht noch immer einen Chef. Kommt René Pollesch als Intendant zurück?
Ausgabe 22/2019

Der Sommer kommt, das Spielzeitende naht. Doch eine der wichtigsten Entscheidungen in der Welt des Theaters, nämlich wie es mit der Berliner Volksbühne weitergehen soll, steht immer noch aus. Kultursenator Klaus Lederer hatte im Juni vergangenen Jahres bei einem eigens einberufenen Kongress zur Zukunft dieses Theaters einen transparenten Findungsprozess für die Leitung angekündigt. Eine Art öffentliche Ermittlung, wie die Tradition des Hauses nach dem Debakel mit Chris Dercon wieder aufgenommen werden könnte.

Der bereits in der Zusammenbruchsphase Dercons herbeigeholte Klaus Dörr, der vielleicht fähigste Theatermanager des Landes, hat als Interimsintendant alle Aufgaben schnellstens erfüllt. Es gibt einen Spielplan mit vielen von außerhalb gebuchten Gastspielen, der gut läuft, mit einer Stimmung im Parkett, die oft an beste Zeiten erinnert. Die erste hauseigene Produktion, Leander Haußmanns Staatssicherheitstheater, zeigte mit Lothar Hollers Prenzlauer-Berg-Mietshaus eines der schönsten Bühnenbilder der Saison. Was sich darin in wirren Geschichten abspielte, wirkte aber hoffnungslos retro und konnte deshalb keine bedeutsame Ausrichtung erahnen lassen.

Doch Dörrs Erfolg mit anderswo erfolgreich produzierten Inszenierungen verschaffte Lederer Luft und Zeit, die große Entscheidung immer wieder zu verschieben. Die von allen Seiten vorgebrachten Vorschläge schossen ins Kraut. Ein Haus für Tanztheater als Hauptstadt-nationale Einrichtung war ebenso darunter wie die Übergabe dieses nominell städtischen Theaters an die freie Szene. Eine lange Liste einzelner Namen wurde von kundigen Kommentatoren und Akteuren mit kulturpolitischen Ambitionen abseits der Senatskanzlei debattiert. Darunter der langjährige Dortmunder Intendant Kay Voges, den viele als Theatermacher auf Augenhöhe mit der Digitalkultur sehen.

Diese Personalie ist kein Plan B

Der Kultursenator verlängerte Klaus Dörr geradezu zwangsläufig um ein weiteres Jahr, für noch mehr Luft und Vorsicht in der Angelegenheit. Dörr wiederum überraschte kurz vor Ostern mit der Bekanntgabe eines Ensembles, das unter einem Schauspieldirektor arbeiten wird, dem noch jungen, aus Island stammenden Regisseur Thorleifur Örn Arnarsson. Dessen am Schauspiel Hannover inszenierte verspielt assoziationsreiche Version der Edda lief sofort darauf in der Volksbühne, gleichsam als erste Tuchfühlung. Der Mann kann auf jeden Fall großes Theater, aber eine stilsichere Ausrichtung zwischen sympathisch Volksbühnen-epigonal und notwendigerweise weiter reichender eigener Vision ließ der Abend nicht erkennen. Arnarsson wird also das zweite Jahr dieser Übergangszeit wesentlich mittragen, aber als der große Nachfolger der immerhin 25 Jahre währenden Castorf-Ära dürfte er nicht einmal als Plan B zu den im Verborgenen – siehe oben – laufenden Verhandlungen Lederers für eine langfristige Lösung gelten.

Die Berliner Feuilletons, die in solch wichtigen Angelegenheiten manchmal die Rolle von Wettbüros für Kandidaten einnehmen, sehen im Moment keine alternativen Personalien. Stattdessen ist René Pollesch (derzeit Regisseur am Deutschen Theater) als Kraft zwischen alter und zukünftiger Volksbühne im Gespräch. Den Prater (Volksbühne klein) hat er schon mal geleitet. Die seinerzeit hilflose Offerte an Pollesch („Ich mach dich weltberühmt!“) war der Anfang von Dercons ruhmlosem Ende.

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