Rund

Linksbündig Robert Hoyzer und Borussioa Dortmund zeigen, dass der Fußball eigene Regeln hat

Adi Preißler, ein früherer Profi von Borussia Dortmund formulierte einst die Fußball-Weisheit: "Grau ist alle Theorie. Maßgebend is´ aufm Platz." Ausgerechnet, denn auf dem Platz verlor der Verein jüngst mit 0:5 gegen Bayern München, und für den heimischen Platz des Klubs, das Dortmunder Westfalenstadion, kann der Klub die Miete nicht mehr zahlen. Fürs laufende Geschäftsjahr rechnet der Verein mit fast 70 Millionen Euro Verlust, die mit dem Schuldenstamm von fast 120 Millionen Euro zu einer "existenzbedrohenden Ertrags- und Finanzsituation" führen, wie es in einer offiziellen Erklärung heißt.

Aber der Ball, so lautet eine andere Weisheit aus der Welt der Kickerei, ist rund. In diesem Satz kann man einen Abgrund an Banalität erkennen. Oder eine tiefere Wahrheit: Dass nämlich ein Fußballspiel wie das Leben ein offener Prozess ist, dass es nicht deterministisch verstanden werden darf, sondern dass es Chancen bereit hält und zum Guten veränderbar ist.

Man kann in dem Satz aber auch lesen, dass das Fußballspiel ein in sich geschlossenes System ist, dass es über eine, vielleicht nur relative, aber doch sehr weitreichende Autonomie gegenüber gesellschaftlichen Einflüssen verfügt und solchen nur sehr schwer zu unterwerfen ist. Wie man einen solchen Einfluss auf das Fußballspiel organisiert und letztlich doch daran scheitert, hat der deutsche Schiedsrichter Robert Hoyzer zusammen mit drei in der Gastronomie tätigen kroatischen Freunden vorgeführt. Ein paar Spiele lang ging das Unternehmen gut, jetzt sitzen die Beteiligten in Untersuchungshaft, und die enorme Empörung über die Manipulation zeigt, wie sehr die Gesellschaft die Rundheit des Balles zu verteidigen bereit ist.

Ein anderer Versuch, die Gesetzmäßigkeit des Fußballs mit anderen Gesetzen der bürgerlichen Gesellschaft zumindest kompatibel zu machen, war im Oktober 2000 der Börsengang des BV Borussia Dortmund. Da er, zumindest aus Sicht der Anhänger, zunächst erfolgreich verlief, blieb eine ähnlich empörte Reaktion nicht nur aus. Der Klub empfahl sich einmal mehr als Sinnbild erfolgreicher sozialdemokratischer Modernisierungspolitik. "Die mächtige SPD, ohne die hier keiner weiterkam, wurde über die Jahre zwar zur Partei der konformistischen Angestellten und sogar der Kleinunternehmer, aber das positive Image der solidarischen Arbeiterpartei nahm sie in die besseren Wohnviertel mit", hatte Dirk Schümer schon 1995 in der FAZ erkannt: "Im Fußball war das ebenso". Die Fußballprofis hätten mit den Verlierern dieser Modernisierung "ebensowenig gemein wie die agilen, jungen SPD-Stadträte mit den Arbeitslosen und den türkischen Stahlkochern."

Nun aber ist das Modell des Arbeitervereins ohne Arbeiter genauso in die Krise geraten wie das einer Sozialdemokratie mit Hartz IV. "Es ist ganz schön hart, Fan des BVB zu sein", bekennt in der taz ein Fan des Vereins in der gleichen Tonlage, in der Ruhrgebiets-Sozialdemokraten erklären, dass es ganz schön hart sei, für Schröder und Clement Wahlkampf zu machen. "Gläubiger und Fonds-Zeichner haben jetzt die Zukunft meines Klubs in ihren Händen", heißt es in dem Internetdienst blutgraetsche.de. "Alles ist verkauft, verzinst, verleast - verraten." Wo Verrat ist, ist auch ein Verräter, und solange man den nicht benennen kann, muss geraunt werden, dass fiese Machenschaften dunkler Mächte Verein und letztlich den Fußball kaputt gehen lassen.

Das wird nicht passieren. Dass der Ball rund ist, heißt ja auch, dass man weiß, wie er sich bewegen wird. Den Bundesligaskandal 1970/71 hat der Fußball ebenso überwunden wie auch Fußballligen in anderen Ländern mit ähnlichen Skandalen fertig geworden sind. Borussia Dortmund droht schlimmstenfalls, in die Oberliga zurückgesetzt zu werden, vielleicht sogar unter anderem Namen zum völligen Neuanfang in der Kreisklasse verdonnert zu werden. Am 27. November 1972 verlor Borussia Dortmund mit 1:11 gegen Bayern München. Wenige Monate später stieg der Klub in die Regionalliga ab, vier Jahre später war er wieder in der ersten Liga.

Hört man die Schmerzensnachrichten der Fans von Borussia Dortmund, hat man den Eindruck, dass das Abendland untergeht. Dabei lautet die Wahrheit doch, dass der Ball rund ist.


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